Abbild des Todes
Ihnen erzählt, dass sich ihre Tante schnell aufregt?”
“Ja. Ich werde sehr vorsichtig sein.”
Zoe ging in die Richtung, die Schwester Mendoza ihr gezeigt hatte. Dass ihr Herz bis zum Hals klopfte, lag nicht an der Aussicht, Frieda zu treffen, sondern an der unverblümten Art, mit der sie die Schwester angelogen hatte.
Die Tür zu Zimmer 111 stand offen. Zoe blickte vorsichtig hinein und sah einen kleinen ordentlichen Raum. Auf einer Kommode standen alte Fotos, ein halbes Dutzend Madame-Alexander-Puppen saßen auf der Fensterbank und mitten im Raum stand ein Doppelbett mit Gittern auf beiden Seiten, die die Patientin vor dem Herausfallen schützen sollten.
Frieda saß auf einem Stuhl am Fenster. Sie war eine zerbrechlich wirkende Frau mit gebeugten Schultern, ihr graues Haar wurde mit einem Haarreif zurückgehalten. Eine bunte Decke wärmte ihre Beine.
“Hallo, Frieda”, sagte Zoe leise, als sie zu ihr trat.
Leere blaue Augen wandten sich ihr zu. Es war kaum zu glauben, dass dieser Schatten einer Frau einmal die Bühnen Amerikas beherrscht, dass ihr das Publikum im ganzen Land zu Füßen gelegen hatte. “Wer sind Sie?”
“Mein Name ist Zoe Foster. Ich bin eine Freundin von Lola.”
Knochige Finger begannen die Decke zu kneten. “Wer ist Lola?”
“Ihre Nichte.” Zoe zog einen Stuhl heran und setzte sich, darauf bedacht, die alte Dame nicht zu bedrängen. Ein Foto der Sängerin stand auf der Kommode, und Zoe deutete darauf. “Da auf dem Foto, das ist Lola. Sie ist sehr hübsch, finden Sie nicht?”
“Ich habe keine Nichte.” Friedas Ton klang streitsüchtig. “Ich habe niemanden. Haben sie Ihnen das nicht erzählt?”
“Sie haben Lola. Sie kommt Sie jede Woche besuchen.”
Die alte Frau wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der schneebedeckten Landschaft zu. “Letzte Nacht hat es geschneit. Und in der Nacht davor auch. Ich mag den Schnee nicht. Er macht alles weiß. Ich mag kein Weiß.”
“Welches ist Ihre Lieblingsfarbe?”
“Nicht Magenta. Ich hasse Magenta.”
Zoe lächelte freundlich zu der alten Dame. “Es gibt nicht viele Menschen, die Magenta mögen.”
“Ich mag Rot. Früher habe ich viel Rot getragen.”
“War das, als Sie noch auf der Bühne standen?”
Ein kleines Funkeln erhellte ihre Augen. “Rot ist die Farbe der Hölle”, sagte sie in herausforderndem Ton. “Die Hölle ist die Stätte des Satans!”
Vorsichtig, aber geschickt lenkte Zoe das Thema wieder auf die geliebte Nichte zurück. “Hat Lola mit Ihnen jemals über ihren Freund gesprochen? Über einen Mann, den sie sehr mochte?”
Anstatt zu antworten, starrte die Frau auf die goldene Box, die Zoe auf ihrem Schoß liegen hatte. “Was ist denn das?”
“Pralinen.” Sie hatte sich überlegt, dass jeder, ob jung oder alt, Schokolade mochte, und eine Packung Godivas aus dem Süßwarenladen in ihrer Straße gekauft, bevor sie hierher gekommen war. Sie gab sie Frieda. “Ich dachte, dass Sie sie vielleicht mögen.” Sie lächelte die Frau aufmunternd an. “Nur zu, nehmen Sie sie. Ich habe sie extra für Sie mitgebracht.”
“Warum bringen Sie mir Geschenke? Ich kenne Sie nicht.”
“Ich bin eine Freundin von Lola.”
“Versuchen Sie, mich zu vergiften?”
“Nein, natürlich nicht.”
“Doch, das tun Sie. Satan hat Sie geschickt! Er hat Sie geschickt, damit Sie mich vergiften!”
Erschrocken zog Zoe sich von der schreienden Frau zurück.
“Hilfe!” Friedas Körper spannte sich an, als sie die Lehnen ihres Stuhls in dem Versuch umfasste, aufzustehen. “Hilfe! Sie will mich vergiften!”
Eine Schwester kam eilig ins Zimmer gestürzt. “Was ist los, Liebes? Wieso das Geschrei?”
Zoe stand auf, um der Schwester Platz zu machen, deren Namensschild sie als Schwester Valgram auswies. “Ich wollte ihr nur eine Schachtel Pralinen geben”, sagte sie und fühlte sich furchtbar.
Die Schwester bedachte sie mit einem ernsten Blick. “Wer sind Sie?”
“Zoe Foster, eine Freundin von Lola Malone …”
“Sie ist gekommen, um mich zu töten”, schrie Frieda, nun ganz offensichtlich verwirrt. “Sie sind alle gekommen, um mich zu töten. Bring sie hier raus.” Sie umklammerte den Kragen der Schwesternuniform. “Schnell, bevor sie dich auch töten.”
“Ist ja gut, Liebes. Niemand wird Ihnen wehtun.” Als das Schreien nicht aufhörte, kamen zwei Pfleger, um der Schwester zu helfen.
“Sie gehen jetzt besser”, sagte Schwester Valgram zu Zoe. “Wir müssen sie beruhigen.”
“Es tut mir so
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