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Abbild des Todes

Abbild des Todes

Titel: Abbild des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Heggan
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erzählen.” Sie sah die Frage in seinen Augen. “Ich wollte es zuerst nicht. Ich war nach Cape May gefahren, um herauszufinden, warum sie mir nicht die Wahrheit erzählt hat, als ich alt genug war. Aber …”
    “Was ist passiert?”
    “Sie hat sich furchtbar aufgeregt, beschuldigte sich, für deinen Tod verantwortlich zu sein. Sie wiederholte immer wieder, dass sie dich getötet habe.”
    “Ich habe ihr nie die Schuld daran gegeben. Das musst du ihr sagen.”
    “Das habe ich. Sie ist so froh, dass du lebst. Sie … wünscht dir das Beste”, improvisierte sie.
    Einen Augenblick lang sah er traurig aus, und sie überlegte, ob er mehr erwartet hatte. Oder war das ihre romantische Seite, die sich Dinge wünschte, die niemals passieren würden?
    “Was würde Frank tun, wenn er wüsste, dass du noch am Leben bist?”, fragte sie.
    “Er würde mir seine Killer auf den Hals hetzen”, antwortete er tonlos.
    “Hat er immer noch so viel Macht?”
    “Nur, weil Frank Scolini hinter Gittern sitzt, heißt das nicht, dass er die Kontrolle verloren hat. Frank ist eine mächtige Person und wird es immer sein. Seine Organisation ist nicht auseinandergebrochen, als er ins Gefängnis ging. Und sie wird bis heute von Menschen geführt, die er höchstpersönlich ausgesucht hat.”
    “Aber warum sollte er nach all der Zeit noch hinter dir her sein?”
    “Weil er keine andere Wahl hat. Wenn er jetzt zögern würde, wenn er die Gelegenheit, mich umzubringen, vorüberziehen lassen würde, verlöre er sein Gesicht. Und für Frank bedeutet es alles, das Gesicht zu wahren.”
    “Dann solltest du darüber nachdenken, wieder nach San Diego zurückzukehren.”
    “Nicht, bevor ich nicht herausgefunden habe, wer auf dich geschossen hat, mein Mädchen.”
    “Rick sagte, dass du einen Freund hast, der dir dabei eventuell helfen könnte?”
    “Peppe. Sein echter Name ist Giuseppe Veneti. Ihm gehört ein Müllabfuhrunternehmen in Queens.” Er hörte wieder auf zu zeichnen. “Wenn mir irgendetwas zustoßen sollte, bevor ich die Chance hatte, noch einmal mit ihm zu sprechen, ist er der Mann, an den du dich wenden musst. Kannst du dir das merken? Giuseppe Veneti. In Queens.”
    “Dir wird nichts passieren.”
    Er lächelte und blickte zur Treppe hinüber. “Das ist vielleicht ein Kerl, dein Rick.”
    Sie fühlte, wie sie errötete. “Er ist nicht
mein
Rick.”
    “Das sollte er aber sein.”
    Noch ein paar letzte Striche mit dem Stift, dann drehte er das Blatt herum, damit sie es sehen konnte.
    “Das bin ja ich!”, rief sie aus.
    “Es wird dir nicht gerecht.”
    “Doch, das wird es. Die Ähnlichkeit ist verblüffend.” Sie sah ihn bewundernd an. “Rick hat mir erzählt, dass du Künstler bist.”
    “Oh, ich würde mich nicht als Künstler bezeichnen. Auf dem College habe ich ab und zu Karikaturen angefertigt. Das war zwar nicht die hohe Kunst, aber es hat mir geholfen, die Studiengebühren bezahlen zu können.”
    “Du bist sehr talentiert.” Sie betrachtete die Zeichnung noch einmal genauer. Er hatte alles eingefangen: das dicke lockige Haar, die großen Augen, die schmale Nase und die vollen Lippen. Sogar die kleine Spange in Form eines Schmetterlings war da, die in einem koketten Winkel in ihren Haaren steckte. “Darf ich das behalten?”
    “Natürlich.”
    “Ach, das hätte ich beinahe vergessen. Ich habe dir etwas mitgebracht. Ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk sozusagen.”
    “Das wäre doch nicht nötig gewesen.”
    “Das meinst du nicht so. Menschen sagen so etwas andauernd, doch in Wirklichkeit meinen sie es nie so. Was sie eigentlich sagen wollen, ist: ‘Los, beeil dich und rück’s endlich raus!’“
    Ray lachte. Das erste fröhliche, entspannte Lachen, das sie in der letzten Stunde gehört hatte. Für einen Augenblick glaubte sie, sich an das Lachen zu erinnern. Sie hatte sogar kurz ein Bild von einem kleinen Mädchen vor Augen, das auf den Schultern seines Vaters saß und schrie: “Schneller, Pferdchen, schneller!” Doch dann verschwand das Bild wieder. Es war wahrscheinlich nur eine der Erinnerungen, die ihre Mutter für sie erfunden hatte.
    Sie ging hinüber zu ihrer Reisetasche, die Rick im Flur abgestellt hatte, und zog das bunt eingepackte Geschenk mit der roten Schleife heraus. “Hier”, sagte sie und reichte es ihm.
    Aufgeregt wie ein Kind an Weihnachten riss Ray das Papier auf. “Ein Handy”, flüsterte er und nahm es vorsichtig aus der Verpackung.
    “Ja, aber nicht einfach nur ein

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