Abby Cooper 01 - Detectivin mit 7. Sinn
sein. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass zwischen den beiden Todesfällen eine Verbindung bestand. War dieser Marco der besagte Dunkelhaarige, vor dem ich Allison gewarnt hatte?
Zumindest hatte sich die Ohio-Verbindung bestätigt. Die Schwestern stammten von dort - dennoch war daran etwas eigenartig. Wieso glaubte ich, das wäre ein entscheidender Hinweis für die Lösung des Falles? Seufzend schaute ich auf die Uhr auf dem Sideboard. Es blieben noch zehn Minuten bis zum nächsten Klienten, und ich kam um vor Hunger. Ich verließ hastig die Praxis, rannte die Treppe hinab und über die Straße zu dem kleinen Café, das Obstsalat mit Joghurt zum Mitnehmen anbot. Ich eilte zurück,, und als ich den Flur entlang auf meine Tür zulief, bekam ich plötzlich eine starke Gänsehaut. Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah mich ängstlich um.
Ich bin sehr empfänglich für die Wesensenergie von Menschen, besonders für die Energie des Bösen. Wenn ich mich mit verbundenen Augen in einem Raum voller Leute befinde, kann ich die einzelnen Emotionen unterscheiden, die jeder Mensch ausstrahlt.
Glücksgefühle und Wut sind am leichtesten zu spüren, Traurigkeit und Zufriedenheit geben eine sanftere Energie ab. Eine Emotion jedoch ist so scharf wie eine Klinge: Boshaftigkeit.
Als ich noch aufs College ging und nebenbei in einem Bistro kellnerte, lief einmal zur mittäglichen Stoßzeit ein Mann an mir vorbei. Er war ein Durchschnittstyp: mittelgroß, mittelmäßig gebaut und wahrscheinlich auch mittelmäßig erfolgreich. Doch im Vorbeigehen traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht, und ich platzte heraus: »Mein Gott, er will sie umbringen!«
Ringsherum blickten die Leute auf, auch der Mann, auf den meine Intuition angesprungen war. Er musterte mich ungerührt, aber wachsam, dann verließ er fluchtartig das Restaurant. Ich hatte keine Ahnung, wer er war oder wen er umbringen wollte, aber die Erinnerung geht mir bis heute nach.
Als ich vor meiner Praxistür stand, fühlte ich mich von einer Ansammlung derselben Energie umgeben. Ich spähte den Flur entlang, aber es war niemand zu sehen. Trotzdem standen mir die Haare zu Berge. Ich schloss hastig auf, huschte hinein und schloss wieder ab. Den Blick misstrauisch auf den Drehknauf gerichtet, wich ich von der Tür zurück. Da glitt ein großer Schatten vor die Scheibe. Ich griff mir reflexartig ans Herz. Die Tür hat den für die Dreißigerjahre typischen Einsatz aus Milchglas.
Voller Entsetzen sah ich zu, wie die Silhouette deutlicher wurde, und hielt den Atem an, als sich der Türknauf drehte. Ohne abzuwarten, was weiter passieren würde, fuhr ich herum und wollte ins Büro laufen, um den Notruf zu wählen, aber ein zaghaftes Klopfen an der Scheibe hielt mich zurück. Dann rief eine Frauenstimme: »Hallo?«
Ich drehte mich wieder zur Tür und fragte zögerlich: »Wer ist da?«
»Hallo, Abigail. Hier ist Jenny Smart. Ich habe den Ein-Uhr-Termin bei Ihnen.«
Ich schüttelte den Kopf, um den Schrecken loszuwerden, und schloss auf. Jenny warf einen Blick auf mein blasses Gesicht. »Geht es Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch, Jenny, ich bin nur ein bisschen erschöpft. Ich war in der Mittagspause draußen und musste rennen, weil ich sonst nicht pünktlich hier gewesen wäre. Bitte, kommen Sie herein«, sagte ich und schloss sofort wieder zu.
Am Nachmittag, als ich die letzte Sitzung hinter mir hatte, beschloss ich, diesmal nicht im Büro zu bleiben und Anrufe zu erledigen, sondern mit dem Klienten zusammen das Haus zu verlassen. Wir trennten uns auf der Straße, und ich ging hinüber in die Garage. Dabei blickte ich mich andauernd ängstlich um.
Ich hatte das starke Gefühl, dass mich jemand beobachtete, war mir aber nicht sicher, ob das nicht von meiner eben durchgestandenen Angst herrührte. Wenn man durch Spinnweben läuft, glaubt man, das Krabbeln einer Spinne zu spüren, auch wenn keine da ist.
Ich sprintete förmlich zu meinem Wagen, stieg ein, ließ den Motor an und fuhr aus der Garage. Sicherheitshalber fuhr ich ausschließlich über Nebenstraßen nach Hause.
Ich war noch einen Block davon entfernt, als mir ein Wagen auffiel, der hinter mir dieselbe Abzweigung genommen hatte. Da hatte ich die Nase voll von meiner Ängstlichkeit. Ich fuhr rechts ran und wartete, ob der Wagen an mir vorbeifahren würde. Doch er hielt links neben mir und Milo und Dutch guckten durch das Beifahrerfenster.
»Tag, Abby«, grüßte Dutch heiter.
»Wozu die Beschattung, Jungs?«, fragte ich
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