Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
guter Samariter, der im rechten Moment aufkreuzte, Gott sei Dank.«
»Mit demselben guten Samariter wurdest du im Hausflur vor deiner Praxis gesehen. Ihr habt euch unterhalten.«
Mist. Das war’s dann. »Wie bitte?« Ich gab mein Bestes, um schockiert zu klingen.
»Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich bin ziemlich gut in meinem Beruf. Zwei Zeugen, die die 911 angerufen haben, schwören, dass sie dich mit einem Mann auf dem Flur vor deiner Praxis sprechen hörten, dann seist du die Treppe runtergerannt, als deine Schwester überfallen wurde - mit ihm im Schlepptau. Durch die Videoaufnahme wissen wir jetzt, dass es einen Augenzeugen gibt, der nicht nur die Identität des Täters kennt, sondern auch ein wesentliches Beweisstück in seinem Besitz hat, nämlich die Skimaske. Was ich nicht verstehe, ist, warum du die Identität eines Mannes verheimlichen willst, der uns zum Täter führen kann, der deine leibliche Schwester umbringen wollte!«
»Nein«, sagte ich kopfschüttelnd und log erneut. »Nein, das ist falsch, Milo, ich kenne den Mann auf dem Video nicht. Der Mann, mit dem ich mich auf dem Flur unterhalten habe, ist ein Klient von mir. Er sieht ihm vielleicht ein bisschen ähnlich, aber er ist nicht mit mir über die Straße zum Parkhaus gelaufen.«
»Wo ist dein Klient dann hingegangen?«, drängte Milo.
»Das weiß ich doch nicht! Vielleicht wollte er ebenfalls Hilfe holen. Ich meine, er ist mit mir die Treppe hinuntergerannt, aber ich schwöre, er war nicht bei mir, als ich über die Straße zum Parkhaus lief.« Das immerhin entsprach der Wahrheit. Muskelberg hatte die Straße längst überquert, als ich durch die Glastür nach draußen kam. »Und ich bin sicher, dass der Mann auf dem Video nicht mein Klient ist. Den hätte ich erkannt und das hätte ich dir natürlich gesagt.«
»Gut, wie heißt dein Klient?«
»Wozu brauchst du den Namen?«, fragte ich und fühlte mich wie die Maus, mit der die Katze spielte, bevor sie sie fraß.
»Vielleicht hat er etwas gehört oder gesehen - weißt du, wir wollen mit jedem reden, der zur Zeit des Überfalls in der Nähe war.«
»Äh, der Name fällt mir jetzt gerade nicht ein ...«
»Aber du hast Akten, nicht wahr? Du könntest ihn nachschlagen, oder?«
Trotz meiner Bemühungen, gelassen und vertrauenswürdig zu erscheinen, wurde ich rot und zappelig. »Äh, sicher ... wahrscheinlich. Aber meinst du nicht, du solltest lieber nach dem großen Mann auf dem Video suchen, anstatt meinen Klienten zu belästigen?«
»Warum wirst du denn so defensiv?«, fragte Milo mit gespieltem Erstaunen und legte den Kopf schräg.
»Ich bin gar nicht defensiv. Ich schlage bloß vor, dass du dich auf das Wesentliche konzentrierst, nämlich auf den Kerl, der meine Schwester umbringen wollte!« Ich wurde wütend und mit meiner gespielten Ruhe war es vorbei.
»Also gut, Abby, ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er leise, während er sich nahe zu mir heranbeugte. »Du verrätst mir, wer der zweite Mann auf dem Parkdeck war, und ich verspreche dir, dass ich mich auf das Wesentliche konzentriere. Denn, meine Liebe: Ich weiß, dass du mir sagen kannst, wer er ist, und deine traumatisch bedingten Gedächtnislücken sind eine glatte Lüge.«
Ich starrte Milo an. Nur zu gern wollte ich ihm von Muskelberg erzählen. Doch wenn ich das täte, würde das ihn, mich und jeden, an dem mir etwas lag, in echte Gefahr bringen. Ich musste mich nach meinem intuitiven Gefühl richten, dass ich hier ganz vorsichtig agieren musste. Wenn Kapordelis der Verdacht käme, ich könnte der Polizei von seinem Schläger erzählt haben, würde er mich umbringen lassen. Das hatte er mir neulich in seinem Arbeitszimmer versichert.
Für einen Moment schloss ich die Augen, um mich zu sammeln, dann sah ich Milo unverwandt an und sagte leise: »Milo, ich kann dir wirklich nicht helfen.«
Bei seinem Blick hätte ich am liebsten geheult. Ich kannte ihn erst kurze Zeit, aber ich mochte ihn wirklich. Der Ausdruck in seinen Augen sagte mir, dass er sich eine neue, unwiderrufliche Meinung über mich gebildet hatte. Für ihn rangierte ich jetzt noch eine Stufe unter dem übelsten Abschaum und das machte mir ehrlich zu schaffen.
»Dir ist doch klar, dass ich bei dieser Ermittlung deinetwegen meinen Arsch riskiere, oder?«
»Was hast du gesagt?« Ich begriff die subtile Wendung nicht, die das Gespräch plötzlich nahm.
»Ich riskiere meine Karriere, indem ich deine ... äh ... Talente bei dem Fall hinzuziehe,
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