Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
und anstatt die Tatsache zu würdigen, dass ich mich für dich ziemlich weit aus dem Fenster lehne, und mir zu helfen, tust du alles, um mich in die falsche Richtung zu lenken. Warum?«
Ich schluckte schwer. Milo verstand es hervorragend, mein Schuldbewusstsein anzusprechen. »Ich habe dir meine intuitiven Erkenntnisse bereits mitgeteilt, Milo. Ich weiß nicht, was du noch von mir willst.«
»Wie wär‘s mit der Wahrheit?«
»Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Ich kann schließlich nichts erfinden, um dir einen Gefallen zu tun, oder?«
Nach einem langen, angespannten Moment holte Milo tief Luft und atmete dann ganz langsam seine offensichtliche Enttäuschung aus. »Na schön«, sagte er. »Wie du willst«, fügte er noch abweisend hinzu, stand auf und kehrte mir den Rücken zu.
Die Art, wie er das tat, bedrückte mich am meisten und so unternahm ich einen letzten Versuch, kooperativ zu erscheinen. »Milo? Wenn es eine Aufnahme von dem Überfall auf meine Schwester gibt, gibt es dann nicht auch eine von dem Mord an Karen Millstone? Ich meine, sie wurde doch wahrscheinlich in dem Parkhaus angegriffen, genau wie Cat... Vielleicht ist darauf zu sehen ...«
»Nein«, fiel Milo mir barsch ins Wort, ohne sich zu mir umzudrehen. »Die Aufnahme läuft immer von Sonntag bis Samstag durch, dann spult sie zurück und beginnt von Neuem. Wenn wir gewusst hätten, dass sie im Parkhaus und nicht bei der Post überfallen wurde, hätten wir uns das Band ansehen können.«
»Oh«, sagte ich kleinlaut. Minuten verstrichen, ohne dass einer von uns etwas sagte. Schließlich fragte ich: »Darf ich gehen?«
»Fürs Erste.«
Ich starrte auf den Boden, während ich den Raum verließ.
Milo würdigte mich keines Blickes mehr.
Ich ging die Treppe hinunter und lief Detective Steve Hurst in die Arme. Er war erst kürzlich zum Detective befördert worden, nachdem er ein paar Jahre bei der Detroiter Polizei gedient und sich dann in Royal Oak beworben hatte. Er war ein sehr lustiger Typ und an dem Abend unseres Pokerspiels auf dem Revier hatten wir uns seinetwegen abgerollt vor Lachen. Weil er echt sympathisch war, hatte ich das Kleingeld in seiner Hosentasche als Kleidungsstück gewertet, sonst hätte er kurz darauf im Adamskostüm dagesessen.
»Tag, Abby!«, grüßte er gut gelaunt.
»Guten Morgen, Steve, wie geht’s?«, fragte ich und lächelte ihn breit an. Er hatte ein jungenhaftes Aussehen, große grüne Augen, rotblonde Haare und ein offenes Lächeln. Er hatte eine Ausstrahlung, bei der einem das Herz aufging, und ich konnte mir vorstellen, dass er sehr schnell das Vertrauen von Leuten gewinnen konnte, wenn‘s drauf ankam.
»Nicht übel... He, tut mir leid wegen deiner Schwester. Wie geht es ihr?«
»Sie kommt wieder auf die Beine, danke für die Nachfrage.«
»Grüß sie von mir und du pass auf dich auf, hörst du?« Er ging an mir vorbei und wollte die Treppe hinaufeilen.
Da fiel mir etwas ein und ich rief ihm hinterher: »He, Steve, kann ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Sicher, was gibt‘s denn?«, fragte er und blieb stehen.
»Wenn ich in eine sehr alte Polizeiakte hineinsehen wollte, wie könnte ich an die herankommen?«
»Milo hat dich gebeten, bei einem unserer Altfälle zu helfen?«, fragte er und kam die Stufen wieder herunter.
»Ah ... ja ... stimmt. Er hat mir von einer Akte eine Kopie gegeben, aber als ich sie durchgeblättert habe, hat die Seite zwei gefehlt.«
»Wie alt ist der Fall?«, fragte er.
»Ungefähr zwanzig Jahre.«
»Solche haben wir meistens auch auf Mikrofilm unten im Keller. Hat Milo dich nicht mit runtergeschleppt, als er dir die Kopie gegeben hat?«
»Äh, nein ... ich habe sie mir bei ihm abgeholt. Weißt du, es war quasi meine Idee, mir den Fall mal anzusehen. Es geht um eine Vermisste; sie ist die Mutter eines Freundes von mir. Ich habe Milo danach gefragt und er hat mir die Kopie machen lassen, aber die zweite Seite ist beim Kopieren vergessen worden. Ich würde Milo ja selbst fragen«, sagte ich und blickte nervös die Treppe hinauf zu der Glastür, »aber er hat gerade mit den Vergewaltigungsfällen alle Hände voll zu tun, und ich will ihn mit solchen Nebensächlichkeiten nicht belästigen. Meinst du, du hättest mal fünf Minuten Zeit, um mir beim Suchen zu helfen?«
»Sicher, komm mit«, sagte er und forderte mich mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen.
Wir gingen ins Untergeschoss und einen langen Flur entlang, der am Ende nach links abknickte, dann durch
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