Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
überzulaufen. Der Wagen stand noch nicht ganz, da stieß ich schon die Tür auf. Dutch bekam meinen Arm noch zu fassen, als ich hinausspringen wollte.
»He, warte, Abby. Komm, lass uns darüber reden«, flehte er.
»Du kannst mich mal, du Mistkerl!«, sagte ich brutal, riss mich los und knallte die Tür hinter mir zu. Ich rannte ins Haus und die Treppe hinauf, mit gesenktem Kopf, weil die Tränen strömten.
Auf meinem Stockwerk angelangt, eilte ich den Flur entlang zur Praxistür und schloss hastig auf. Drinnen lief ich direkt in mein Sitzungszimmer, kauerte mich auf meinen Sessel und weinte mir die Augen aus.
3
Wenigstens manchmal nehme ich mir auch mal die Zeit für eine Pause. Nach meiner desaströsen Mittagsverabredung mit Dutch war ich eine schniefende, schluchzende Katastrophe und nicht in der Lage, Klienten zu empfangen. Glücklicherweise tauchten meine beiden Nachmittagstermine - sie hatten eine gemeinsame Sitzung gebucht - gar nicht auf. Nachdem ich eine Viertelstunde gewartet hatte, machte ich Feierabend und begab mich auf den Heimweg.
Benommen fuhr ich durch mein Wohnviertel und sah immer wieder die Szene im Restaurant vor mir. Ich hatte mittlerweile den Eindruck gewonnen, Dutch würde meinen Beruf respektieren. Schließlich hatte ihm dieser vor Kurzem erst dazu verholfen, einen mehrfachen Mörder zu schnappen. Wieso war ihm jetzt auf einmal peinlich, womit ich mein Geld verdiente?
Ab und zu versuchte ich, die Gedanken beiseitezuschieben, indem ich die Schönheit des klaren Herbsttages in mich aufnahm. Der Herbst in Michigan ist atemberaubend.
Gegen Ende September ist es mit dem Sommer von heute auf morgen vorbei und plötzlich ändern sich die Farben und die Gerüche in der Natur. Der Himmel wird grau, die Wolken blau, die Blumen braun und das Laub orange, rot, gelb und pink. Statt nach Sommerblumen riecht es nach brennenden Laubhaufen, morgens ist es frisch und die Kälte holt die Leute aus ihren Hängematten. Überall wird Laub geharkt, der Garten winterfest gemacht und es werden Garagen gesäubert. Bis Halloween sind die meisten Bäume kahl und die Kälte bleibt konstant.
Während ich durch mein Wohnviertel fuhr, betrachtete ich lächelnd den üppigen Halloweenschmuck: Plastikspinnen hingen von den Bäumen, weiße Gespenster spähten aus den Fenstern, Hexenbesen lehnten an Türen und auf fast jedem Rasen standen Grabsteine.
Als ich in meine Auffahrt einbog, stellte ich seufzend fest, dass mir diesmal die Zeit davongelaufen war und die Einkaufstüte mit der Dekoration, die ich eigentlich hatte aufhängen wollen, bis zum nächsten Jahr unausgepackt stehen bleiben würde.
Nur eine Halloween-Sache hatte ich zustande gebracht: Ich hatte zwei Kürbisse ausgehöhlt, und das auch nur wegen der Kerne.
Ich knabberte gern Kürbiskerne und Dutch zufällig auch. Schmollend dachte ich daran zurück, wie ich extra ein paar für ihn gesalzen hatte, weil er sie so am liebsten mochte. Sie standen in einem großen Tupperbehälter mit seinem Namen drauf auf dem Küchenschrank, und als ich die Wagentür aufdrückte, tat es mir schon leid, dass ich so abrupt Schluss gemacht hatte.
Das Problem war, dass ich zwar verrückt nach ihm war, aber unmöglich mit jemandem zusammen sein konnte, der mich nicht so akzeptieren konnte, wie ich war. Trotzdem: Dieser Mann war wirklich umwerfend. Meine Gedanken schweiften zurück zum Beginn meiner Mittagspause, wo wir uns fast der Erregung öffentlichen Ärgernisses schuldig gemacht hätten.
Im Wesentlichen stand meine Libido im Konflikt mit meinen Grundsätzen. Ich seufzte noch einmal schwer und stieg endgültig aus dem Wagen. Als ich auf die Haustür zulief, ging sie unerwartet auf. Ich sprang erschrocken zur Seite, zum Glück, denn sonst hätte ich einige dicke Vierkanthölzer an den Kopf bekommen, die auf Daves Schulter durch die Türöffnung kamen.
»Hallo, Abby«, sagte Dave und grinste unter dem Gewicht des Holzes.
»Tag, Dave. Sind das die alten Dachsparren?«
»Ein paar davon. Ich habe noch mehr runterzutragen. Für die neuen habe ich einen guten Preis rausgeschlagen. Ach, und ich habe aus Versehen das Fenster mit einem Balken eingeschlagen, aber darum kümmere ich mich, sobald ich fertig bin.«
Ich machte Platz, als Dave die Balken zu seinem Anhänger trug. »Wie hoch ist denn der Schaden an meinem Konto?«, fragte ich.
»Ich tue mein Bestes, damit ich unter tausend bleibe, meine Liebe.«
Mir blieb der Mund offen stehen. Zurzeit war ich ein bisschen klamm. Ich
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