Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
da die Präsenz von so viel Polizei auf den Straßen schon am frühen Abend für Ruhe gesorgt hatte.
Um diese Zeit etwa schaltete die Atmosphäre in der Ermittlungseinheit merklich von Anspannung auf Feierlaune - wir hatten es geschafft. Wir hatten den Richtigen festgenommen und Royal Oak konnte wieder ruhig schlafen. Der mehrfache Vergewaltiger Jeffrey Zimmer saß hinter Gittern. Dann schlug ein Kollege vor, Strip-Poker zu spielen. Alle guckten mich gespannt an, wie ich darauf reagieren würde, und da ich sie beim Penny-Poker alle geschlagen hatte, war ich ziemlich übermütig und bereit, aufs Ganze zu gehen.
Innerhalb kurzer Zeit hatte ich jeden Detective des Dezernats bis auf die Unterhosen ausgezogen und ein Berg Wäsche lag rings um meinen Stuhl. Ich hatte kein einziges mieses Blatt gehabt.
Milo hätte theoretisch schon zweimal splitternackt dastehen müssen, aber aus Gründen der Sittsamkeit hatte ich seine Manschettenknöpfe, Armbanduhr und Goldkettchen als einzelne Kleidungsstücke gewertet. Was ihn noch vom Präsentieren seines Schniedels trennte, waren die Unterhose und sein Ehering ... den er nervös am Finger drehte.
Ich wünschte, ich könnte Mäuschen spielen, wenn er nach Hause kam und seiner Frau erklären musste, wieso er nackt war oder warum er in Unterhosen und ohne Ehering kam.
Auf der Wanduhr war es kurz vor Mitternacht. Ich lehnte mich gähnend und reckend in meinem Stuhl zurück, als der nächste Verlierer sein Unterhemd ablieferte. Wenn wir noch ein Spiel machen würden, müsste einer aus der Runde im Adamskostüm nach Hause fahren, und als ich mir all die aus dem Leim gegangenen Männerkörper ansah, fand ich, dass ich dieses Bild nicht unbedingt mit nach Hause ins Bett nehmen wollte.
Da nur ich dieses Spiel beenden konnte, stand ich auf und sagte: »Na gut, Jungs, es war wirklich großartig mit euch, aber ich fürchte, ich muss jetzt mal Feierabend machen.«
Gut überspielte Erleichterung durchlief die fünf Kollegen an Milos Schreibtisch und alle drängten halbherzig auf ein weiteres Spiel. Aber ich raffte lachend meinen Gewinn zusammen, in der vollen Absicht, ihn nach Hause mitzunehmen. Die Lektion hatten sie verdient. Hatten sie doch glatt geglaubt, sie könnten eine Hellseherin über den Tisch ziehen.
Als ich mich nach einer fremden Hose bückte, klingelte Milos Telefon. Alle blickten überrascht auf. Milo zögerte einen Moment, dann nahm er den Hörer ab. »Johnson.«
Ich beobachtete sein Gesicht, während er dem Anrufer zuhörte. Aber ich wusste schon Bescheid, bevor ich sah, wie seine Miene hart wurde. »So ein gottverdammter Scheißkerl«, rief er aus. »Ich bin in fünf Minuten da.« Er legte auf. Dann blickte er mich halb wütend, halb reumütig an - eine seltsame Mischung.
»Es ist wieder eine Frau vergewaltigt worden«, hauchte ich entsetzt.
»Ja.« Mehr brachte Milo fürs Erste nicht heraus. Die Wut nahm all seine ganze Kraft in Anspruch.
»Aber wie?«, protestierte ich und konnte es gar nicht begreifen. »Ich meine, ihr habt so viele Leute an den Supermärkten postiert ...« Der Anrufer musste sich geirrt haben; das konnte gar nicht sein. Wir hatten Vorsichtsmaßnahmen getroffen, hatten unsere Hausaufgaben gemacht.
Milo schüttelte den Kopf, blickte einen Moment lang zu Boden, dann begegnete er meinem entsetzten Blick und sagte: »Sie wurde nicht an einem Lebensmittelmarkt überfallen. Ein Streifenpolizist hat sie nach Feierabend gefunden.«
»Wo?«
»Hinter der Post.«
Die aufgesammelten Klamotten im Arm, ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen. »Oh Gott... oh mein Gott...«
Dann kam Bewegung in die Männer und einer zog sacht sein Hemd von meiner Schulter. Ich begriff den zarten Hinweis und lud den Kleiderhaufen auf Milos Schreibtisch ab, sodass sich jeder seine Sachen herausziehen konnte. Alle außer mir waren hastig dabei, sich anzuziehen. Ich saß stumm auf meinem Stuhl und fragte mich, wie das bei so viel Polizeipräsenz hatte passieren können.
Milo riss seine Hose aus dem Haufen und zog sie mit wütenden Bewegungen an. Er zitterte vor Zorn. Ich sah zu ihm rüber, während er in die Hemdsärmel fuhr und sich gar nicht erst mit den Manschettenknöpfen aufhielt. Mir fiel sein betroffener Gesichtsausdruck auf. Er schien mir etwas zu verschweigen.
»Milo? Sie wird doch wieder auf die Beine kommen, oder?«
Alle stockten und blickten gespannt ihren Ermittlungsleiter an. Vielleicht hatten sie es gespürt, vielleicht an der Art, wie er seine Wut im Zaum
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