Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
zu schicken ... für immer.
Ich griff nach meinem Weinglas und trank einen Schluck. Ich hatte schon einen Schwips, und jetzt musste es mir nur gelingen, den Schwips auf diesem Pegel zu halten, ihn aber nicht so anwachsen zu lassen, dass ich mit einem Fuß am Boden schlafen musste, weil sich alles drehte. Aber ich war ein Fliegengewicht, sodass es wahrscheinlich trotzdem dazu kommen würde.
In dem Moment klopfte es an der Haustür. Ich sah auf die Uhr - Viertel nach neun.
Eggy sprang kläffend von meinem Schoß und sauste zur Tür, sprang an ihr hoch und kratzte wie verrückt an dem Holz. Träge erhob ich mich und ging hin, um durch den Spion zu spähen. Milo stand draußen, eine Hand locker in der Hüfte, den Kopf lauschend zur Seite geneigt.
»Mist«, flüsterte ich, während Eggy eifrig zwischen mir und der Tür hin- und herschaute und einmal auffordernd bellte.
»Abby?«, rief Milo von der Veranda. »Bist du da?«
»Es ist spät, Milo. Können wir das verschieben?«, fragte ich und lehnte die Stirn an den Türrahmen.
»Abby«, sagte er ernst, »lass mich rein. Ich muss mit dir reden.«
Ich zögerte. Ich wollte ihn nicht sehen, nicht mit ihm sprechen, nicht mit ihm arbeiten ... sondern nur meine Ruhe.
»He«, rief er und klopfte wieder. »Du kannst genauso gut sofort aufmachen, denn ich gehe nicht wieder weg.«
Mistkerl.
»Na schön!«, seufzte ich und schloss auf.
Ohne ein Wort betrat Milo mein Wohnzimmer und wartete, dass ich die Tür wieder zumachte und mich setzte. Ich sah seinen Blick zu dem Weinglas huschen, dann blieb er an meinem nichtssagenden Gesichtsausdruck hängen. Ich wappnete mich gegen den Rüffel, der sicher gleich kommen würde.
Doch Milo überraschte mich. Er ließ sich auf der Couch nieder und schaute zu dem stumm geschalteten Fernseher. Nach einem Augenblick fragte er: »Was guckst du?«
»Alias.«
»Klasse Serie.«
»Die beste.«
»Jennifer Gamer kann einem ganz schön Feuer unterm Hintern machen, hm?«
Ich nickte matt. »Und sich dabei ein Steak braten ...«
»Ja ...«
Schweigen.
Verärgert über den Besuch trank ich einen großen Schluck. Mein Alkoholpegel stieg, aber das war mir schnurz. Milo sah mich durchdringend an und ich ignorierte es. Seinetwegen würde ich nicht mit dem Trinken aufhören.
Schließlich sagte er: »Abby?«
»Ja?«
»Hast du ein Bier für mich? Oder bist du ein reiner Weintrinker?«
Die Frage verblüffte mich. Ich hatte jetzt etwas völlig anderes erwartet, irgendwelche Vorhaltungen, weil ich mich allein betrank oder weil ich nicht zurückgerufen hatte. Dass er mich bitten könnte, eine höfliche Gastgeberin zu sein, wäre mir nicht eingefallen.
»Im Kühlschrank«, antwortete ich. »Dutch hat seit August immer ein paar Dosen hier.«
Milo lächelte freundlich und stand auf. »Danke«, sagte er auf dem Weg in die Küche.
Ich zuckte gleichgültig mit den Achseln und hörte die Kühlschranktür aufgehen. Als er zurückkam, nahm er die Fernbedienung vom Tisch.
Jetzt kommt s, dachte ich bedauernd, die Moralpredigt.
Stattdessen schaltete Milo den Ton wieder ein und wir guckten zusammen Alias zu Ende. Es war das erste Mal seit Wochen, dass ich mich völlig entspannte, so als könnte ich endlich aufatmen, nachdem ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
Um zehn Uhr lief der Nachspann und Milo stellte den Ton ab. Eine drückende Stille legte sich über den Raum und dann, als ich ihn ansah, sagte er ganz leise: »Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leidtut.«
Fast hätte ich mein Glas fallen gelassen. »Was?«, fragte ich und schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit. »Was tut dir leid?«
»Ich hätte auf dich hören sollen. Wenn ich einfach auf dich gehört hätte, würde die Frau jetzt noch leben, und wir hätten den Verbrecher gefasst.«
»Was meinst du?« Vermutlich lag es an dem Wein, aber ich begriff ehrlich nicht, was er mir sagen wollte.
»Deinen Hinweis mit der Post. Es war so offensichtlich und ich habe ihn komplett ignoriert. Ich habe meine Männer umsonst bei den Supermärkten stehen lassen. Ansonsten waren wir nirgends präsent und damit haben wir den Kerl geradezu eingeladen, woanders zuzuschlagen.«
Mir blieb der Mund offen stehen. Ich konnte nicht glauben, dass Milo die Schuld auf sich nahm.
»Milo ... das war doch nicht deine Schuld. Ich war es, die dir geraten hat, die Postboten zu überprüfen. Vom Postamt habe ich gar nichts gesagt. Wenn ich gesagt hätte: Lass die Post bewachen, hättest du es getan, und ich hätte
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