Abby Cooper 03 - Hilferuf aus dem Jenseits
verärgert. »Jetzt guck auf die Straße und wage es nicht, noch mal in ein Schlagloch zu fahren, verstanden?«
Ich salutierte, hielt aber den Mund, damit er sich beruhigen konnte. »Es war wirklich nicht gefährlich«, nuschelte ich nach einer Minute Schweigen, während Dutch sich bemühte, die Krallen einzuziehen.
»Das weißt du nicht«, erwiderte er scharf. »Du weißt nur, dass du ein rätselhaftes Kästchen in einem Haus gefunden hast, in dem eine Frau ermordet wurde. Du weißt nicht, wer der Mörder war und ...«
»Oh doch! Das habe ich gestern selbst erlebt.«
»Wie bitte?«, fragte er in einem Ton, bei dem es gewöhnlich ernst wurde.
»Ah ... ich meine ... äh ...« Mist! Ich hatte mich verplappert.
»Das musst du mir jetzt bitte mal erklären«, sagte Dutch.
Seufzend suchte ich nach einem Ausweg. Wir hielten an einer Ampel, und ich sah mich nach einer Ablenkung um. Als ich ein Spago’s Coney Island entdeckte, sagte ich: »Na gut, ich erzähl dir alles, aber wie wär s, wenn wir dabei Mittag essen? Ich bin halb verhungert.« Dutch war immer verträglicher, wenn er gut gegessen hatte, und bei Spago’s aß er furchtbar gern.
Als die Kellnerin von unserem Tisch wegeilte, um unsere Bestellung weiterzugeben, trank ich einen großen Schluck von meiner Cola und fing an zu erzählen, was am Vortag passiert war. Er unterbrach mich ein-, zweimal, um zu fragen, wie der Nebel ausgesehen habe und warum wir nicht sofort abgehauen seien, bevor die Situation zu heikel wurde. Ansonsten aber hörte er zu, während ich schilderte, was ich mit Lisas Augen gesehen hatte.
»Jean-Paul war also der Täter, meinst du?«, fragte er dann.
»Ja, er war es eindeutig. Ich habe ihn von dem Zeitungsfoto her erkannt, aber er war da schon um einiges älter.«
»Wie alt?«
»Ich schätze, zwischen sechzig und siebzig.«
»Dann war er für sein Alter ziemlich stark, wenn er eine Frau die Treppe hinunterwerfen konnte.«
Darüber dachte ich einen Moment lang nach und sagte: »Ich habe alles aus Lisas Perspektive gesehen und gefühlt. Das klingt sicher seltsam, aber ihre Gedanken waren meine Gedanken und ihre Gefühle meine Gefühle. Offenbar besitze ich nicht ihre Erinnerungen und weiß auch ihren Nachnamen nicht, aber ich kann dir sagen, dass sie zierlich war, kleiner als Jean-Paul und unter fünfzig Kilo wog. Ich erinnere mich, dass ich an seinen Händen gezerrt habe, als er mich würgte, und sie waren riesig verglichen mit meinen. James ist ziemlich groß, sein Großvater war es vermutlich auch.«
»Da wir gerade davon sprechen«, sagte Dutch und musterte mich kritisch. »Was hast du dir dabei gedacht, das Kästchen zu ihm zu bringen? Er kann doch genauso bösartig sein wie sein Großvater, Abby. Und wenn der bereit war, für das Ding zu töten, dann er vielleicht auch.«
»Ich weiß, die Logik drängt einem diesen Schluss auf, aber ich glaube nicht, dass er so ist. Ich habe meine Antennen ausgefahren, als ich ihm das Kästchen zeigte, und er hat es nicht erkannt, da hin ich mir sicher. Er sah es zum ersten Mal.«
»Wusste er, wie es sich öffnen lässt?«
»Leider nein.«
»Aha«, sagte Dutch mit einem stummen »Siehste« hinterher. »Aber ich weiß vielleicht jemanden, der uns helfen kann.«
»Wirklich?«
»Ja. Ich kenne einen beim FBI, der ein Spitzensafeknacker ist. Wenn man das Kästchen öffnen kann, wird es ihm gelingen. Aber«, schob er mit bedeutungsvollem Blick hinterher, »die Bedingung für meine Hilfe ist, dass du versprichst, dich von jetzt an zu benehmen.«
Ich verzog das Gesicht, um ihm zu zeigen, was ich von der Bedingung hielt. »Du tust gerade so, als wäre ich leichtsinnig«, sagte ich und verschränkte die Arme.
Dutch wurde etwas sanfter und sagte: »Anders kann ich mir auch nicht erklären, wie man in so viele Schwierigkeiten geraten kann wie du, Süße.«
Ich seufzte. »Na gut, bringen wir dich nach Hause.«
Am Abend, als ich das Bett sauber bezog, klingelte Dutchs Telefon. Kurz darauf hörte ich ihn rufen: »Abby? Deine Schwester ist am Apparat.«
»Ich nehme es hier oben an«, rief ich nach unten und nahm den Hörer ab. »Hallo Cat!«, sagte ich glücklich. Es war ein paar Tage her, seit wir miteinander gesprochen hatten, und ich wollte unbedingt den neuesten Stand der Dinge hören.
»Du musst mir helfen!«, sagte sie.
Oh, oh! Das klang nicht gut. »Sag mir nicht, Claire und Sam fühlen sich immer noch nicht wohl.«
»Du ahnst nicht mal die Hälfte, Abby. Du glaubst gar nicht, was ich
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