Abby Cooper 03 - Hilferuf aus dem Jenseits
liefern. Er sagt nur, der Kerl sei schwarz gewesen und selbstbewusst aufgetreten.«
»Na, das engt den Kreis ja ziemlich ein«, sagte Dutch und schnaubte.
»Genau«, pflichtete Milo ihm frostig bei. »Ich weiß ja, dass wir Schwarzen für Weiße wie ihn alle gleich aussehen, aber man sollte meinen, dass er ein paar mehr Merkmale angeben kann als schwarz und selbstbewusst.«
»Milo, ich glaube nicht, dass James ein Rassist ist«, sagte ich und fasste ihn mitfühlend am Arm. Auch Detroit hatte so seine Rassenprobleme, und meistens nördlich der Eight Mile, daher konnte ich verstehen, warum er so empfindlich auf die Unterstellung reagierte, dass schwarz gleichbedeutend mit kriminell sei. »Ich vermute vielmehr, dass er versucht, euch auf eine falsche Fährte zu lenken. An einen Versicherungsbetrug glaube ich nicht.«
»Warum macht er dann falsche Angaben über den Täter?«, fragte Milo.
»Keine Ahnung.«
»Wir sollten trotzdem mal seine Finanzen überprüfen«, meinte Dutch mit vielsagendem Blick zu Milo.
»Das dürfte für einen vom FBI ja kein Problem sein«, erwiderte Milo leise lachend. »Übrigens, ich wollte dir noch sagen, dass über Carlier bislang nichts vorlag, außer einer Verwarnung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung vor zwei Jahren und einem Nachbarschaftsstreit vor fünf Jahren, wo es um seinen Bruder ging.«
Meine Intuition schrillte. Ich legte den Kopf schräg und lauschte. »Milo?«
»Ja?«
»Worum ging es bei dem Streit?«
»Also« - er zog sein Notizbuch aus der Manteltasche -, »James und Jean-Luke Carlier wohnten in dem Haus an der Fern Street, und nach Aussagen von Nachbarn hetzte Jean-Luke seinen Bruder mit einem Messer durchs ganze Haus.«
»Ist nicht wahr!«, rief ich aus.
»Doch, vollkommen. Als die Kollegen hinkamen, hatte Jean-Luke sich schon beruhigt, und James wollte keine Anzeige erstatten. Beide behaupteten, es sei überhaupt kein Messer im Spiel gewesen und die Nachbarn müssten sich geirrt haben.«
»Seltsam«, sagte ich. Mein sechster Sinn behauptete beharrlich, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Vorfall von heute Nacht und dem von damals gebe. Darum fragte ich: »Wo ist Jean-Luke heute?«
»In Mashburn.«
»Der Nervenklinik?«, fragte Dutch.
»Genau«, antwortete Milo. »Etwa eine Woche nach dem häuslichen Streit wurde Jean-Luke für geschäftsunfähig erklärt und von seinem Bruder eingeliefert, der sämtliche Vollmachten besaß.«
»Und da ist er noch?«, fragte ich.
»Es gibt keinen Entlassungsvermerk, also ist er noch dort.«
Ich warf einen Blick zu James, der müde und mitgenommen aussah. Alle waren scheinbar überzeugt, dass er etwas zu verbergen hatte, aber ich wusste intuitiv, dass er nicht aussagen würde. Der Juwelenräuber würde erst entlarvt werden, wenn James bereit war auszupacken.
»Komm«, sagte ich und zupfte Dutch am Ärmel. »Hier können wir nichts mehr ausrichten, und es war ein langer Tag für mich.«
Milo winkte uns und ging. Dutch und ich machten uns auf den Heimweg. Unterwegs fragte ich: »Kannst du dir wirklich Einblick in James’ finanzielle Verhältnisse verschaffen?«
»Zumindest in seine Steuererklärung.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Hoffentlich nur einen Tag. Ich rufe gleich morgen früh an und bringe die Sache ins Rollen. Und wenn ich dich das nächste Mal bitte, nach dem Aussteigen am Wagen zu warten, dann tust du es gefälligst, klar?«
Sein Ton war eisig, und das machte mich wütend. Sein Ton und dass er glaubte, mir Befehle erteilen zu können. Einen Moment lang schäumte ich still vor mich hin und hielt unauffällig nach einem Schlagloch Ausschau. Als ich ein Stück voraus eins entdeckte, lenkte ich den Mazda darauf zu, aber kurz vorher griff Dutch ins Lenkrad und riss es herum.
»He!«, schrie er mich an. »Was soll das?«
»Du bist nicht mein Vorgesetzter!«, schrie ich und riss das Steuer zurück. Manchmal bin ich supererwachsen.
Dutch seufzte schwer und begann in ruhigem Ton: »Edgar ...«
Aber mein Ärger ging mit mir durch. »Ich bin ganz gut allein klargekommen, bis du auf der Bildfläche erschienen bist, weißt du!«, fiel ich ihm ins Wort.
»Das ist mir bewusst...«
»Überhaupt nicht! Permanent kritisierst du meine Entscheidungen, als könnte ich nicht mal ohne deine Erlaubnis aufs Klo gehen!«
»Abby ...«
»Weißt du eigentlich, wie schwierig es ist, deine Freundin zu sein?«
»Wie bitte?«, fragte Dutch sichtlich vor den Kopf gestoßen.
Ups, da war ich ein bisschen zu weit gegangen.
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