Abby Cooper 03 - Hilferuf aus dem Jenseits
der ich eine gewisse Behutsamkeit wahrnahm, mit der er sich bewegte.
»Nicht doch. Ich muss den alten Kasten sowieso mal aufräumen.«
»Ich möchte nur nicht, dass Sie sich überanstrengen«, sagte ich besorgt wegen des gelben Lichts, das ich in meinem Kopf blinken sah. »Wenn Sie bei den Archivboxen Hilfe benötigen, können wir uns bei Ihrem Lager treffen.«
Willy winkte ab. »Nein, nein, das geht schon. Hören Sie, Sie verschwinden jetzt von hier, damit ich mit meiner Arbeit weiterkomme und mir die Zeit nehmen kann, um morgen zum Lager zu fahren, okay?«
»Wir wissen Ihre Hilfe zu schätzen, Mr Breger, vielen Dank«, sagte Milo beim Hinausgehen.
»Dann bis morgen um sechs«, fügte ich hinzu und stieß Dutch an, der noch etwas aufschrieb, bevor er mit uns zur Tür kam.
Wir gingen zurück zum Wagen und stiegen ein. Milo ließ den Motor an, fuhr aber nicht aus der Parkbucht. Stattdessen drehte er sich zu mir und Dutch um und fragte: »Was haltet ihr davon?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Dutch und überflog seine Notizen.
»Das ist wie ein Riesenpuzzle, wo die Teile noch alle auf einem Haufen liegen«, meinte ich kopfschüttelnd. »Dabei weiß ich, dass sie alle zusammenpassen, aber nicht, wie. Das ist das Blöde daran.«
»Eine Spur gibt es, die wir noch nicht verfolgt haben«, sagte Dutch.
»Welche?«
»Simone Renard.«
»Madame Dubois’ Freundin?«
»Und Jean-Pauls Exfreundin.«
»Worauf warten wir noch?«, fragte Milo und lenkte den Wagen aus der Parklücke. »Sagt mir einfach, wo ich lang muss.« Und so fuhren wir nach Royal Oak zurück.
Kurze Zeit später erreichten wir Simones Haus, und im Wohnzimmer brannte Licht.
»Gut«, meinte ich, als wir davor hielten. »Sie scheint zu Hause zu sein.«
Wir stiegen aus dem Auto und gingen zur Haustür. Noch bevor wir dort ankamen, wurde geöffnet, und eine kleine Frau mit großen Augen und einer Hakennase spähte durch die Fliegengittertür. »Ja?«, fragte sie sanft.
»Simone Renard?«, fragte Dutch, stieg auf die Eingangsstufe und hob die Hand zu einer freundlichen Geste.
»Sie wünschen?«, fragte sie misstrauisch.
»Schön, dass wir Sie antreffen«, sagte Dutch, um sie nicht zu verschrecken. »Ich bin Agent Rivers vom FBI, und das sind meine Kollegen, Detective Johnson und Miss Cooper. Dürfen wir reinkommen und uns ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten? Es geht um einen alten Freund von Ihnen, Jean-Paul Carlier.«
Simone schwankte sichtlich zwischen Angst und Neugier, aber die Neugier siegte. »Kommen Sie herein«, sagte sie nach einem kurzen Moment.
Im Flur schlug uns der stark süßliche Geruch einer Rheumasalbe entgegen. Überall standen Antiquitäten und altmodische Sammlerstücke. Simone führte uns ins Wohnzimmer und deutete auf zwei abgenutzte Sofas, die übereck standen. Dutch und ich nahmen auf dem einen Platz, Milo auf dem anderen. Simone blieb stehen.
»Meine Schwester schläft. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Stimme senkten«, sagte sie.
Dutch nickte und holte sein Notizbuch hervor. »Wie gesagt, wir möchten uns über Jean-Paul Carlier unterhalten. Wie wir gehört haben, waren Sie beide mal recht eng befreundet.«
Simone fummelte an ihrer Halskette herum. »Ja, wir haben uns viele Jahre gut gekannt. Wir waren ein Paar.«
»Können Sie uns ein bisschen was über ihn erzählen?«, bat Dutch.
Simones Züge wurden weicher. »Ich habe ihn 1969 bei einer Tanzveranstaltung kennengelernt. Meine Eltern waren französische Immigranten, wissen Sie. Meine Schwester und ich wurden zwar hier geboren, aber unsere Eltern bestanden darauf, dass wir uns in der hiesigen französischen Gemeinschaft einfügen. Dort wurden mehrmals im Jahr Tanzabende veranstaltet, und ich ging schon seit der Highschool dorthin. Nach meiner Heirat tat ich das nicht mehr, erst wieder nachdem mein Mann im Koreakrieg gefallen war. Dort lernte ich also Jean-Paul kennen, und er sah toll aus. Er war damals ein so gut aussehender Mann und sehr von sich eingenommen, kann ich Ihnen sagen.« Sie lachte leise. »Er dachte, alle wollten ihn nur, weil er reich war und gut aussah, aber ich mochte ihn, weil er klug war.«
»Sie waren also bis 1990 mit ihm zusammen, bis zu seinem Tod?«, fragte ich. Mir kam ein Gedanke, dem ich unbedingt nachgehen wollte.
Simone wandte sich mir mit hochgezogener Augenbraue zu, beinahe herausfordernd. »Ja, fast einunddreißig Jahre.«
»War er treu?«, fragte ich dreist.
»Soweit er dazu in der Lage war«, antwortete sie und fuhr
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