Abby und Schneewittchen in Gefahr: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
würden krank werden vor Sorge. Ich spiele nervös mit einem Zweig. »Wir müssen warten, wie die Geschichte sich weiterentwickelt. Aber ich wünschte auch, wir könnten das Ganze irgendwie beschleunigen.«
»Warum bringen wir Schnee dann nicht einfach zu ihm?«, fragt Jonah. »Wir gehen zu ihm in sein Königreich und machen die beiden miteinander bekannt.«
Ich schüttele den Kopf. »Wir sollten die Geschichte so originalgetreu wie möglich belassen. Damit nicht noch ein Unglück passiert. Es ist besser, wenn er sie in der Kiste lie gen sieht. Je weniger Abweichungen von der echten Ge schichte, desto besser.«
»Und wenn wir die Kiste zum Schloss tragen?«, fragt Jonah. »Wir stellen sie einfach vor seine Tür. Und wenn er raus geht, stolpert er darüber, und die Geschichte geht wieder so weiter, wie sie soll.«
Ich schnaube verächtlich. »Wir können die Kiste nicht den ganzen Weg bis nach Kamel tragen.«
»Gamel«, sagt Schnee.
»Wie auch immer.« Ah! »Ich habe eine Idee! Wir schicken dem Prinzen eine E-Mail und bitten ihn, hierher zu kommen!«
Da lacht Jonah. »Eine E-Mail?!«
Ich laufe rot an. »Einen Brief. Ich meinte, einen Brief. Wir schicken ihm einen Brief, in dem steht, dass er wo anders hinkommen muss, und wir machen es so, dass er auf dem Weg hier vorbeikommt. Dann kommt er hier entlang geritten und sieht Schnee in der Kiste liegen. Genau wie in der Geschichte.«
Schnee beißt sich auf die Unterlippe. »Wenn er zu meinem alten Zuhause reiten würde, dann würde er hier vorbei kommen. Wir können ihm schreiben, dass er zum Schloss kom men soll.«
»Jippie!«, quietsche ich vor lauter Begeisterung. »Dann trifft er dich auf dem Weg, und der Rest ist Schicksal!«
Im Märchenland wird die Post von Postboten auf Pferden ge bracht. Wir schreiben dem Prinzen also einen Brief, in dem steht, dass er sofort zum Schloss von Zamel kommen soll, und dann warten wir.
Und warten.
Und warten.
Lang-wei-lig.
Zwei Tage später steht meine Uhr auf fünf Uhr Echtzeit. Und ich sitze immer noch im Schneidersitz auf dem Waldboden und warte.
Das waren jetzt zwei weitere Nächte mit Jonahs Füßen in meinem Gesicht.
Zwei weitere Tage mit Schnees ekligem Haferschleim und Eintopf.
Zwei weitere Tage weg von zu Hause.
Ich bin gerne bei Schnee, und ich sitze abends gerne mit den Zwergen zusammen, aber ich vermisse meine Eltern. Und ich vermisse mein Bett. Vielleicht vermisse ich sogar Smithville. Ich vermisse auf jeden Fall mein Sofa. Mein Hintern tut schon ganz weh vom vielen Sitzen auf dem harten Waldboden. Die Ameisen, die ständig versu chen, mir die Beine hochzukrabbeln, erwähne ich erst gar nicht.
Ich sehe zu meinem Bruder hinüber, der mit finsterem Gesichtsausdruck auf einen Haufen Steine starrt. Sogar er wird langsam etwas trübsinnig.
Ich weiß, wir müssen Schnees Geschichte wieder in Ordnung bringen. Wir sind gewissermaßen dazu verpflichtet. Aber wir können einfach nicht mehr sehr viel länger warten. Wir müssen endlich herausfinden, wie wir wieder nach Hause kommen.
Ta-dam, ta-dam, ta-dam . Aus der Ferne hören wir auf einmal ein Donnern.
Mein Herzschlag beschleunigt sich. »Das muss er sein!«
»Endlich!«, sagt Jonah.
Schnee richtet sich auf. »Wer, er ?«
»Na, er ! Los, alle auf ihren Platz!«, schreie ich. »Los, los, los!«
Schnees Platz ist natürlich in der Kiste. Jonahs und mein Platz ist auf einem Baum. Genau. Während wir im Wald Däum chen gedreht haben, habe ich nämlich gelernt, auf Bäume zu klettern. Jonah konnte es natürlich schon, denn auf Bäume klettern ist wie auf Felsen klettern, nur viel einfacher. Schnee wollte es nicht ausprobieren. Sie hat Höhenangst. Zum Glück leidet sie nicht unter Platzangst. Das wäre schlecht, denn sie musste die letzten Tage ja die meiste Zeit in der engen Kiste verbringen.
Schnee läuft also zur Kiste, während ich für Jonah eine Räuberleiter mache.
Jetzt hören wir den Hufschlag ganz deutlich.
Ein junger Mann nähert sich auf einem braunen Pferd. Er hat blondes Haar, ist ziemlich groß und wirklich hübsch. Er trägt eine Krone und einen roten Umhang. Das muss der Prinz sein. Er sieht aus wie ein Prinz. Nicht, dass ich jemals einen Prinzen in echt gesehen hätte, aber für mich sieht er ziemlich prinzenmäßig aus. »Er ist es!«, jubele ich. »Er ist es wirklich! Unser Plan hat funktioniert!«
Er reitet direkt auf die Kiste zu. Er ist gar nicht mehr weit weg. Er kommt immer näher! Jetzt ist er gleich da! Er verlangsamt den
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