Abby und Schneewittchen in Gefahr: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
wird.
»Wir sollten besser nach Hause gehen«, meint Schnee schließlich. Vor lauter Glückseligkeit und Handstandmachen hat sie ganz gerötete Wangen.
Also machen wir uns auf den Weg.
Am nächsten Tag steht meine Uhr auf fast drei Uhr morgens. Das heißt, wir haben noch vier Stunden Echtzeit übrig. Und noch vier Tage, um von Zamel nach Hause zu kommen.
Wir wandern wieder den Hügel zur Lichtung hinauf. Dieses Mal habe ich eine große Flasche mit Wasser dabei. Und Schnee hat noch mehr von den ekligen Sandwiches mit Eintopf in Jonahs geliehenen Ranzen gepackt.
Als wir bei der Lichtung ankommen, zeigt Schnee auf die Kiste. »Oh, seht mal! Ein Kissen! Wie nett.« Sie springt in die Kiste.
»Ich hätte mir auch ein Kissen mitnehmen sollen«, sage ich. »Dann könnte ich ein kleines Nickerchen machen. Ich habe letzte Nacht kaum ein Auge zugetan.«
»Echt?«, fragt Jonah ganz unschuldig. »Ich habe wunderbar geschlafen.«
»Du hast dich auch ziemlich breitgemacht.« Aber es war nicht bloß seine Schuld. Ich kann einfach nicht schlafen, wenn ich mir Sorgen mache. Und ich mache mir gerade ziemlich viel Sorgen. Darüber, wie wir wieder nach Hause kommen sollen. Und wie wir Schnees Geschichte wieder in Ordnung bringen können. Wie wir Schnees Leben retten sollen.
Moment mal. Ich sehe Jonah an. »Hast du das Kissen mitgebracht?«
Er schüttelt den Kopf.
»Ich habe es auch nicht mitgebracht«, sage ich. »Wenn du es nicht warst und ich auch nicht, wer war es dann?«
»Einer der Zwerge?«
Oder … »Die fiese Elise!«, schreien wir beide gleichzeitig.
»Leg dich nicht hin!«, rufe ich, während ich auf Schnee zulaufe. »Das Kissen ist vergiftet! Es ist vergiftet!«
Doch Schnee schreit schon und krümmt sich. Mist! Zu spät!
Sie schießt hoch, ihre Haarspitzen sind verkohlt, als hätte sie zu nah am Feuer gestanden. »Au, au, au!«
Ich greife nach der Wasserflasche und schütte ihr den gesamten Inhalt über den Kopf.
Die Haare zischen. »Au, au, au«, wimmert Schnee.
»Die fiese Elise beobachtet uns!«, ruft Jonah. »Irgendwie unheimlich.«
»Alles in Ordnung?«, frage ich zitternd.
Schnee nickt.
»Du bist immer noch die Schönste im ganzen Land.«
»Manchmal wünschte ich wirklich, ich wäre es nicht«, seufzt sie.
Kapitel 14
Er ist da, er ist da, er ist weg
I ch habe gleich mehrere Knoten im Magen. Wir wartenjetzt schon seit zwei Tagen auf den Prinzen, und nichts passiert.
Um uns die Zeit zu vertreiben, bringen wir Schnee Fangen spielen bei.
»Kennst du Versteinern?«, fragt Jonah. »Das macht total viel Spaß. Hab ich von meinen neuen Schulfreunden gelernt.«
Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. »Wir spielen entweder normales Fangen oder gar nicht.«
Also spielen wir normales Fangen. Mit nur drei Leuten macht es aber nicht besonders viel Spaß. Versteinern würde garantiert noch weniger Spaß machen. Als uns langweilig wird, liest Schnee weiter in ihrer Einführung in das Eigentumsrecht .
»Und, steht da irgendwas Interessantes drin?«
»In der Tat«, sagt sie. »Ich bin gerade beim Kapitel über das Testament.«
»Was ist ein Testament?«, fragt Jonah.
»Das ist ein Schriftstück, in dem steht, wer die Sachen von einer Person erbt, wenn sie stirbt«, erklärt Schnee. Sie tippt mit dem Finger auf den Buchdeckel. »Laut diesem Buch erbt die Ehefrau alle Besitztümer ihres Mannes, wenn er stirbt. Es sei denn, in seinem Testament steht etwas an deres. Ich frage mich, ob mein Vater ein Testament geschrie ben hat.«
»Wüsstest du es denn nicht, wenn es so wäre?«, frage ich.
»Wahrscheinlich«, seufzt sie. »War nur so eine Idee.«
Dann spielen wir wieder ein bisschen mit Stöcken. Und dann wird uns wieder langweilig.
»Abby, was machen wir, wenn der Prinz heute wieder nicht kommt?«, fragt Jonah.
»Er wird bald kommen«, sage ich. Er muss.
Mein Bruder fuchtelt mit einem Stock herum. »Aber was machen wir, wenn er erst in ein paar Monaten kommt? Oder in ein paar Jahren? Mama und Papa werden richtig böse auf uns sein. Und ich will die Ferien nicht verpassen. Und meinen Geburtstag. Ich bekomme einen neuen Roller zum Geburtstag!«
Ich schaue auf die Uhr. Zu Hause ist es jetzt schon nach drei. Wir haben nicht monatelang Zeit zu warten. Auch wenn ein paar Monate im Märchenland nur ein paar Tage in Echtzeit sind, dürfen unsere Eltern nicht merken, dass wir fort sind. Sie würden die Polizei rufen! Sie würden überall in der Stadt Vermisstenanzeigen mit Fotos von uns aufhängen. Sie
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