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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fühlen. Er zog mich noch weiter fort und sagte:
    »Komm, wir gehen!«
    Erst als wir uns weit genug entfernt hatten und rings von Gebüsch umgeben waren, hielt Halef die Schritte wieder an. Dann fragte er:
    »Für wen hältst du diese drei Personen, Effendi?«
    »Für die Frau und Kinder des Sägmüllers Ben Adl,« antwortete ich.
    »Ich auch. Die Mühle scheint nicht mehr fern von hier zu sein, denn dieser Platz war doch die Kirche, war der Gebetsplatz, und den legt man sich doch so nahe wie möglich an das Haus. Ich behaupte, daß diese Leute Christen sind, und da war es ganz richtig, daß ich sie schon liebte, ehe ich sie zu sehen bekam. Nun aber liebe ich sie doppelt. Gehen wir direkt und offen in die Mühle?«
    »Nein. Wenigstens nicht gleich. Wir umkreisen sie erst einmal, ohne daß man uns sieht. Es ist immer vorteilhaft, ein sicheres Bild von der Wohnung zu haben, ehe man zu den Leuten geht, die sich darin befinden, nicht nur in materieller, sondern auch in anderer Beziehung.«
    »Du meinst, daß es geraten ist, sich erst um den Körper zu bekümmern, ehe man sich an die Erforschung des Geistes und der Seele macht?«
    »Ja. Nun komm!«
    Wir gingen weiter. Wie Halef vermutet hatte, so war es: die Mühle lag in der Nähe. Wir waren noch gar nicht weit gegangen, so blieb ich überrascht stehen, denn ich sah ein kleines, reizendes Landschaftsbild vor mir liegen, welches von einem Künstler nicht besser, lieblicher und traulicher hätte angelegt werden können und mich fast heimatlich anmutete. Die bisher ganz schmale Schlucht des Baches erweiterte sich hier sehr plötzlich und energisch zu einem nicht ganz unbedeutenden Talkessel, der von hier gegen Morgen lag und uns gleich beim ersten Blick verriet, daß der Besitzer desselben ein fleißiger, umsichtiger und überhaupt intelligenter Mann sei. Der Kreis, den der Boden des Kessels bildete, war mit Feldern, Wiesen und Weiden, die vom Bach bewässert wurden, ausgelegt. Uns gegenüber sah ich einen Steinbruch, in dem man arbeitete. Hüben zogen sich zwei große, wohlgepflegte Gärten am Abhange des Berges hinauf. Zwischen ihnen lag die Mühle, deren Rad aber nicht durch den Bach, sondern mit Hilfe eines von weiter oben direkt herbeigeleiteten Wassergrabens in Bewegung gesetzt wurde. Ihre innere Einrichtung war uns unbekannt, doch stand zu vermuten, daß sie einer einfachen, primitiven deutschen Sägemühle ähnlich sei. Vor ihr waren große Haufen von Stämmen, Klötzen und Brettern aufgestapelt. Seitwärts stand ein zwar niedriges, aber sehr geräumiges Gebäude, welches jedenfalls als Unterkunftshaus diente. Daneben gab es eine Hürde, in welcher fremde Kamele, Maultiere und Maulesel standen, die für den Transport der Bretter bestimmt waren. Ueberall sah man arbeitende Menschen. Auf den Weiden grasten Pferde, Kühe, Schafe und Ziegen. Und rund um dieses schöne, erfreuliche Bild zog der Hochwald seinen dichten schützenden Rahmen. Man konnte es verstehen, daß der dicke Abdahn Effendi sich über diesen Besitz, über diesen Fleiß und über diese unverkennbare Behäbigkeit reichlich ärgerte.
    Wir standen am Rande des Waldes und brauchten, um in das Freie zu kommen, nur noch einige Schritte zu tun. Das Unterholz bestand hier aus dichten Jasmin-und wilden Weichselbüschen, welche in Blüten förmlich leuchteten und einen Duft verbreiteten, den dieselben Sträucher in Deutschland nie erreichen. Eben wollte ich für einen Augenblick den Schutz der Bäume verlassen, um mich zu orientieren, wohin wir uns nun zu wenden hätten, da trat ich rasch wieder zurück, weil aus dem einen naheliegenden Garten drei Männer kamen, die ihre Richtung nicht nach der Mühle, sondern nach der Stelle nahmen, an der wir uns befanden. Da mündete ja der Weg, der wahrscheinlich nicht nur der unserige, sondern auch der ihrige war. Sie wollten vermutlich da hinunter, wo wir heraufgekommen waren. Wir verbargen uns hinter dem hellen Grün und duftenden Weiß der Jasmine, um sie an uns vorübergehen zu lassen, doch kam es etwas anders, als wir dachten.
    Zwei von ihnen waren bejahrte Männer, aber noch rüstig. Ihre Bewegungen waren würdevoll, ihre Haltung stolz und fest, beinahe militärisch. Sie trugen Vollbärte. Der dritte war bedeutend jünger als sie, stark und kräftig gebaut, mit einem ungewöhnlich offenen, intelligenten Gesicht, in dem er nur einen Schnurrbart trug. Sein Anzug zeigte die Spuren der Arbeit, doch sah man ihm an, daß er nicht als Untergebener tätig war. Er behandelte

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