Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
mit den beiden Adjutanten, die ausfindig machen sollten, von wem damals die zwei Hauptleute und die zwei Oberleutnants mit ihren vier Soldaten ermordet worden seien.«
»Das haben die beiden Leutnants gut besorgt. Daß ich ihren Führer machte, brachte mir zweitausend Yäk quirahn von ihnen ein.« Und mit einem grausamen Lachen fügte er hinzu: »Sie bluten noch heute manches Gold-und Silberstück, weil die Beweise von ihrer Schuld noch immer in meinem Beine stecken.«
»In welchem Beine? Du sprichst nur immer von Schuldbeweisen in deinem Beine! Das ist doch wohl Unsinn?«
»Nein, es ist kein Unsinn, sondern Wahrheit, geht aber dich nichts an. Es genügt, wenn ich dir sage, daß es mir jetzt nicht schlechter gelingen wird, als es mir damals gelang. Die tausend Yäk quirahn sind mir sicher. Soll ich den Deutschen mit seinem kleinen Scheik auch morgen wieder beobachten?«
»Ja. Ich muß unbedingt wissen, ob das heute nur Zufall war, oder ob er die wirkliche Absicht hat, den Müller aufzusuchen.«
»So muß ich schlafen gehen, sonst bricht er morgen auf, noch ehe ich aufgestanden bin.«
Er ging. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, hob Abdahn Effendi die geballte Faust, schüttelte sie ihm drohend nach und sagte:
»Lauf heute noch hin, Bursche! Auch deine Zeit ist nahe! Du spielst dein letztes Pulver aus; dann fliegst du hintendrein!«
Er ging noch einige Male hin und her, dann schob er den Innenriegel der Tür vor und trat zum Herd. Da lag ein Borstenbesen. Mit dem kehrte er den aufgehäuften Schmutz von der steinernen Platte, welche in gleicher Linie mit dem Boden lag, und richtete sie nach einer Seite in die Höhe. Da wurde ein großes, tiefes, quadratisches Loch sichtbar, in welches er niedergriff, um ein Korbgeflecht, welches genau hineinpaßte, in die Höhe zu ziehen und auf den Fußboden zu setzen. Das geschah gerade senkrecht unter meinen Augen. Es war gar nicht möglich, deutlicher zu sehen, als ich sah. Als der Korb nun stand, glich er einer Kommode mit fünf übereinanderliegenden Fächern, nur daß es keine Kästen zum Herausziehen und Hineinschieben gab. Die Böden waren unbeweglich und die Fächer mit geflochtenen kleinen Türen verschlossen. Der Effendi öffnete nun eine derselben, entnahm dem Fache ein dickes Geschäftsbuch und setzte sich damit an den Tisch, an dem wir gesessen hatten. Er rechnete irgend etwas nach, schlug dann das Buch wieder zu, legte es in das Fach, verschloß dieses, versenkte den Korb wieder in das Loch und ließ die Platte darauf niedersinken, um sie von neuem mit Schmutz und Asche zu bedecken. Diese Arbeit war ihm bei seiner Wohlbeleibtheit schwer geworden. Als er sich wieder aufrichtete, holte er tief Atem und sprach halblaut, für mich aber doch vernehmlich, vor sich hin:
»Alle Geheimnisse liegen hier vergraben, alle! Niemand kann es finden! Sie alle sind zu dumm dazu, zu dumm!«
Er blies die Oellampe aus und verließ die Stube. Es gab keine Lagerstatt in ihr; er schlief also an einem anderen Orte.
Welch eine unendlich wichtige Entdeckung hatte ich da gemacht; Halef hatte natürlich nicht mit lauschen können. Ich erzählte ihm alles. Er war gar nicht sehr erstaunt. Daß wir in die Luft gesprengt werden sollten, interessierte ihn am meisten. Und sein größter Ärger war, daß der Effendi gewagt hatte, ihn einen kleinen Hanswurst zu nennen.
»Der soll den Hanswurst kennen lernen, aber wie!« drohte er. »Hast du bemerkt, daß man die zwei Obersten die ›beiden Seelen‹ nennt?«
»Ja. Infolge ihrer stehenden Redensart!«
»Und daß der Dicke nun auch schon das vom Vaterunser weiß?«
»Das ist mir das Wichtigste! Das ist Fügung! Das ist die Einleitung zur Erfüllung der zweiten Bedingung! Es wird in ihm so lange wirken und arbeiten, bis er plötzlich explodiert. Doch, nun haben auch wir nach dem Schlaf zu trachten! Gute Nacht, Halef!«
Das war leichter gesagt als ausgeführt. Halef hatte noch eine ganze Menge von Fragen, so daß wir bei der Beantwortung derselben fast vergessen hätten, das Loch wieder zu verstopfen. Als dies geschehen war, kam endlich doch der Schlummer und ging nicht eher wieder fort, als bis die Sonne aufgegangen war. Da badeten wir im Bache, tranken unsern Morgenkaffee, sorgten für Tagesproviant, nahmen unsere Gewehre und begannen unser Tagewerk. Der Dicke schlief noch. Er mochte annehmen, daß wir uns auf die Bärensuche begeben hätten, in Wahrheit aber stiegen wir zu Achmed Agha, dem Manne mit dem Vogelgesicht, hinauf.
Die
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