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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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kurzatmig gemacht, er schnappte selbst nach Luft, zwang sich zur Ruhe, und versuchte nur die Luft, die er nicht selbst brauchte, in die Lunge des Jungen zu blasen. Er spürte das Innere dieser Lunge als Luftsäule, die sich aus seiner eigenen Lunge bis in die Lunge des Jungen ausbreitete, bis in die feinsten Verästelungen und Spitzen dieser Lunge, und glaubte, das sich Dehnen der Lungenflügel zu spüren. Das war ein sehr gutes Gefühl. Er hatte das noch nicht erlebt, die völlige Willenlosigkeit eines Körpers, und seine eigene Luft in die Lunge eines anderen zu blasen, und das verursachte nun eine Erregung, von der Zek ganz zu sich kam, und wohlig ruhig wurde. Es war eine Erregung von Wärme in der Mitte seines Körpers, in der Brust, eine träge machende, wohlige Sache. Er merkte, dass er darunter ausgeruht und hellwach wurde. Zek suchte mit den Augen die Arme des Afrikaners ab und merkte, dass er nur eine Stichstelle hatte, eine einzige, und dann wurde ihm wirklich klar, was hier gespielt wurde. Er atmete weiter, küsste den Afrikaner wie man eine Puppe küsst, und hielt seinen Kopf in Händen. Das ganze dauerte vielleicht eine Minute, dann zwei, dann spürte Zek, wie die Eigenatmung in den kleinen Afrikaner zurückkehrte. Er schlug die Augen auf und lag dann eine Weile reglos dar. Dann setzte er sich auf, griff sich an den Kopf und lächelte Zek an, als er ihn erkannte: „This was so nice“, sagte er mit nordafrikanischem Akzent, „almost beautiful. I was in Heaven.“ Dann verdunkelte sich seine Miene. “Who are you?”
    Zek ließ ihn los und stand auf. Und dann drehte er sich um und verließ das Haus, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er hörte den Afrikaner rufen, und merkte, dass ihm der andere folgte. Doch er ging einfach die Straße hinab und hörte, wie hinter ihm Rufe hallten, die dann abbrachen.
    Nach dem Frühstück ging Zek in der hellen Sonne spazieren. Er fühlte sich großartig. Der Geschmack nach Zimt und nach irgendwelchen Räucherstäbchen des Afrikaners war ihm noch im Mund. Er war in Stimmung gewesen, jemandem einen Streich zu spielen und hatte dann beschlossen, als erste Maßnahme des Morgens in die Garage des Hotels zu gehen und dort Luft aus den Reifen des Audis des Zieles entweichen zu lassen. Es war eine symbolische Handlung, wie Zek während der Durchführung dieses Plans einfiel. Gestern hatte das Ziel dadurch, dass es seinem Geschäftspartner eine Überdosis Heroin spritzte, diesem die Luft geraubt, jetzt raubte Zek seinem Fahrzeug Luft – das war reine Poesie. Vielleicht gab es noch andere Sabotageakte, mit der man dem Ziel Angst beibringen könnte, aber es fiel Zek nichts Geeignetes ein. Vielleicht beim Frühstücksbuffet Salz in den Zuckerstreuer zu füllen?
    Der Morgen war so berauschend schön mit einem dunkelblauen, klaren Himmel und fröhlichen Menschen, dass Zek wie von Sinnen durch die Straßen ging. Irgendwo trank er Espresso und dabei hörte er Tangomusik in einem Café, ein sehr schönes Stück in einer fast klassischen Streichversion. In einer Buchhandlung besorgte er sich einen Sprachführer Niederländisch-Deutsch, setzte sich in die Lobby des Hotels und begann den Sprachführer durchzublättern, während er auf das Ziel wartete. Holländisch schien eine Mischung aus Deutsch und Englisch zu sein, mit Einsprengseln von Französisch. „Bitte“ zum Beispiel war dem Französischen „S’il vous plait“ angeglichen, ein aus einem Satz zusammengezogenes Wort „Alstublieft“, was heißen wollte: „Wie es dir beliebt.“
    „ Noch einen Kaffee?“ baute sich der freundliche Kellner, der ihn schon beim Frühstück bedient hatte, vor ihm auf, und Zek lächelte und nickte. Wenn man sich in Amsterdam beim Friseur eine Rasur verpassen lassen wollte, setzte man sich offenbar hin und sagte: „Scheren alstublieft“, und soll er es mit dem Messer machen, fügte man laut Sprachführer hinzu: „Ik will met een Mesje geschoren worden.“ Hatte das jemals eine Zielperson zu ihm gesagt? Leider nein.
    Zek vertiefte sich in diese drollige Sprache. Jemanden in Holland kennen zu lernen, schien relativ einfach zu sein. Man fragte: „Mag ik bij u komen zitten?“ (Darf ich mich zu Ihnen setzen?) Als Frau antwortete man da am besten: „Hoepel op!“ (Machen Sie, dass Sie wegkommen!) Genauso gut aber konnte man freundlich lächeln und antworten: „Wat will je drinken? Ik verveel me kapot“, wobei letzteres hieß: Ich langweile mich furchtbar. Dann rückte man zusammen und fuhr

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