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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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Schweigen, dem Blick und der Körperhaltung (ich bin kaum zehn Meter von ihm entfernt), den richtigen Schluss gezogen. Ich kam so geräuscharm aus dem Unterholz, dass er mich erst durch ein Anstreifen der Schuhsohlen wahr genommen hat. Jetzt schreit er, und zwar wieder auf Englisch: „Was wollen Sie? Wer sind Sie?“ Ich glaube es nicht - er erkennt mich gar nicht. Habe ich mich so verändert? Das kann ich mir nicht vorstellen. Oder er ist wirklich nicht mehr ganz bei Sinnen.
    Ich weiß nicht, woher es kommt, aber kurz bevor ich die Axt hebe, stoße ich ein Zischen aus, es hat etwas mit Verachtung zu tun. Er weicht wohl zuerst unter dem merkwürdigen Laut zurück, dann aber begreift er erst, was die Axt bedeutet, und dreht sich blitzschnell um und läuft davon. Also beginne ich auch zu laufen, wieselflink, ich bin trainiert. Und es tut mir gut, in der Morgenkühle zu laufen. Ihm wahrscheinlich auch. Indem ich ihn dabei spielerisch halb überholte, dränge ich ihn auf den Dünensteig, den er automatisch, sich in Panik nur auf Schnelligkeit konzentrierend, hoch krabbelt und in den Sand hinunter läuft, bis wir beide am Strand angekommen sind. Als er merkt, wie dichtauf ich ihm bin, läuft er spritzend in die Brandung, hechtet in das tiefere Wasser, weil er weiß, dass er dort vor der Axt sicher ist, und brüllt und gurgelt irgendetwas von „Wahnsinn“ und hat mit wenigen Schwimmstößen eine Sicherheitsdistanz erzeugt, die ich als Bekleideter und leidlicher Schwimmer nie einholen könnte.
    Aber ich habe gar kein Interesse, ihn im Wasser zu erschlagen. Ich bleibe am Ufer stehen, halte das Beil erhoben und starre ihn an. Und dann senke ich das Beil und grinse.
    „ Sind Sie verrückt!?!“ stößt er auf Englisch hervor, es ist eine stammelnde, gehetzte Rede ohne jeden Grundgedanken. „Wenn Sie Geld wollen, ich habe Geld. Viel Geld! ‟ ruft er.
    Interessante Information. Jetzt wäre der Moment gekommen, ihm zu sagen, wer ich bin. Aber wenn er mich nicht erkennt, habe ich keine Lust dazu. Ich kann es kaum glauben, dass er nicht weiß, wie ich heiße. Dass er nicht weiß oder nicht wissen will, wer mich schickt. Eigentlich ist das doch der Sinn des Ganzen. Vielleicht sollte ich ihn darüber belehren, was hier abgeht. Ihn aufklären. So einfach erschlagen, ohne dass er weiß, welcher Blitz ihn getroffen hat, das kommt mir vor wie Robbenjagd.
    Er fühlt sich im Wasser sichtlich wohl, schon weil ich ihm nicht ins Meer gefolgt bin. Ja, Oleg ist ein guter Schwimmer. War er damals auch schon, als er diesen Plan ausheckte, das Zielobjekt im Boot kalt zu machen. Der Mann lag draußen auf dem Meer auf seiner Yacht in Sichtweite, aber vielleicht waren es fünfhundert Meter, die wir wie Badesportler zurücklegten. Ich war danach fix und fertig, aber Oleg stieg mit Schwung und Schmiss aus dem Wasser, und als der aufgeregte Bootsbesitzer heranstürzte, umarmte er ihn fast. Zumindest schien es so. Tatsächlich aber nahm er ihn in den Schwitzkasten und drückte ihm in einer Sekunde den Halswirbel raus. Brach ihm das Genick im Vorübergehen, wo ich vom Schwimmen völlig lahme Arme hatte und ihm wohl keinen Schaden hätte anrichten können.
    „ Was wollen Sie denn? Was wollen Sie? Ich gebe Ihnen alles. Alles!“ schreit Oleg, aus einer tiefen Frustration heraus, und mit dem Unterton der Entkräftung. Bittend. Es ist etwas Kindliches dabei im Ton, aber vielleicht sagt man besser Seniles dazu. Das Alter hält ihn längst im Griff, obwohl er mit Anfang Fünfzig wohl erst ein Baby unter den Greisen ist. Und dann der Nachsatz: „Warum?“
    Oleg treibt auf dem Rücken schwimmend hinaus. Es muss für ihn angenehm sein, Distanz von mir zu schaffen. Außerdem ist es wahrscheinlich im Wasser wärmer als auf dem Trockenen und im Wind. Es ist Ebbe, und er kann sich ganz auf meine Gestalt konzentrieren. Nach ein paar Schwimmstößen fährt er fort: „Was wollen Sie von mir? Warum wollen Sie mir weh tun?“
    Ich habe kein Wort gesprochen. Aber die Sätze waren Russisch. Vielleicht hat es etwas mit meinem Äußeren zu tun? Sehe ich aus, als ob ich kein Amerikaner sein könnte, und kein Engländer?
    „ Du altes Arschloch, Oleg ” , sage ich. Aber ich sage es leise, so leise, dass er es nicht hört. Sein mich nicht Erkennen und mein Schweigen schafft eine gute Spannung. Ist angenehm. Förderlich für die Sache, würde ich sagen.
    Do you really want to hurt me, geht mir Culture Club durch den Kopf, do you really want to make me cry? Ich muss

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