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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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lächeln, lasse die Hacke in meine Hand fallen und drehe sie dabei, sodass das stumpfe Ende auf der Haut klatscht. Ich sehe ihn weiter hinaus schwimmen, weitere Sicherheitsdistanz schaffen, und das ist gut so. Einmal fährt auf der Küstenstraße ein Motorrad vorüber, dann noch eins. Einmal ein Wohnwagen. Die Abstände sind groß, aber es ist wahrscheinlich, dass sie sich bald verkürzen werden. Und je später der Morgen wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit werden, dass einer auf diesen Strandabschnitt abbiegen und zu uns stoßen wird. Wahrscheinlich rechnet er damit. Zählt darauf. So lange kann er noch spielend im Wasser aushalten. Ich schaue auf die Uhr. Es ist kurz nach sechs. Wahrscheinlich ist sein Plan aber auch, so weit hinaus zu schwimmen, bis ich ihn nicht mehr sehen kann, und dann wieder Land zu gewinnen, irgendwo, wo Lichter und Menschen sind. Der Plan ist gut. Je stärker wieder der Wind weht, desto schwieriger ist es, seinen großen Kopf zwischen den Wellenkämmen auszumachen. Und der Wind hilft ihm ja, treibt ihn nach rechts, nach Norden. Die Küste ist zwar äußerst dünn besiedelt in diesem Bereich, aber man weiß nie, wo er da unterkriechen kann. Ich werde unruhig wie ein Jäger, der Maßnahmen ergreifen muss, oder das Wild entwischt. Es kann schon reichen, dass er irgendwo in einem unzugänglichen Abschnitt aus dem Wasser kriecht und mir entkommt, weil ich dort gar nicht über die Steilküste hinab komme. Dann kann er sich verstecken, ausruhen. Der Tag wird heiß werden, da erfriert keiner. Und dann gibt es mehr und mehr Möglichkeiten, sich meiner Verfolgung zu widersetzen. Entweder, indem er wieder hinaus aufs Meer macht. Ein Boot heranruft, das dort vorüber tuckert. Dass er nackt sein würde, war vielleicht noch ein hinderlicher Gedanke, als er sein Kleiderbündel nicht antraf. Mittlerweile geht es um sein nacktes Leben, da gibt es keine Scham. Dass er kein Geld hat, das ist bedeutungslos in diesem Land der freundlichen Menschen. Es wäre vielleicht zuhause schwieriger. Er kann davonkommen, sofern er seine Kräfte von nun an gut einteilt. Ich spüre, dass Oleg eine Chance hat, wenn er alle Kräfte mobilisiert und wenn das Glück auf seiner Seite sein sollte. Aber bis dorthin ist es noch weit. Solange er da draußen schwimmt, kann er nicht auf sich aufmerksam machen. Dafür ist das Ufer in der Richtung, die er nun eingeschlagen hat, zu steil. Ein Auto, das dort vorüberfährt, hat keinen Einblick in den Abschnitt, in dem er seine Bahnen zieht. Dass er vor mir geflohen ist und den Zweikampf gescheut hat, sagt auch etwas über ihn aus. Ich kenne ihn. Das hätte er früher nie getan. Früher, als er noch im Saft stand, wäre er mit bloßen Armen auf den Mann mit dem Beil losgegangen, hätte ihn kampfunfähig gemacht und ihn dann mit dem eigenen Beil geköpft. Olegs Kraft reicht heute dafür nicht mehr aus. Wen würde es verwundern? Schließlich ist er die ganze Nacht im kalten Wasser geschwommen im Versuch, seinen eigenen Lebenswillen zu brechen. Das hat er nun davon. Ich merke, dass er näher gekommen ist. Ich habe ihn mehrere hundert Meter weit verfolgt, indem ich am Strand neben ihm her schlenderte. Zuletzt über Steine, da sich hier die Steilküste hebt. Steine, dann wieder Sand. Es ist Ebbe und keine Gefahr, dass ich auf ein unüberwindliches Hindernis stoße. Doch wenn die Flut kommt, habe ich hier ein Problem, das wird mir auch klar. Dann prallt die Gischt direkt auf den Stein der Küste, und man steht hier bis zum Kopf im Wasser. Oleg hat dann aber auch ein Problem, denn dann besteht die Gefahr, dass ihn die Wellen an die Felsen stoßen, ohne dass er einen Griff fassen kann. Vielleicht teilt er meinen Gedanken, denn er kommt bis auf zwanzig Meter an mich herangeschwommen und ruft auf Russisch: „Hat dich Jeka geschickt? Wenn sie dich bezahlt: Ich gebe dir das Doppelte. Ich gebe dir die Garantie dafür. Ich habe das Geld. Sie hat es nicht. Sie betrügt dich. Aber wenn du mich leben lässt, dann werde ich dich reich belohnen.“
    Ich habe keine Ahnung, wer diese Jeka sein soll. Kurz für Jekaterina wahrscheinlich. Jemand in unserer Organisation? Mir sagt der Name nichts.
    Ich bleibe stehen, und stütze mich auf dem Beil auf. Hier ist ein guter Platz für einen Mord, finde ich. Überkrönt vom Fels der Steilküste, fern jeder Zivilisation. Allein mit seinem Opfer, einer Qualle, die die Wellen angetrieben hat.
    „ Ich zahle dir mehr, als sie dir gegeben hat ‟ , prustet er mit

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