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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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Zeit. Auf Erfolgskurs. Was immer es dafür an Begriffen gibt, ist letztendlich auch egal. Ich komme durch die erste Ortschaft. Sie liegt ausgestorben, eine kleine Schlafstadt, ein ehemaliges Örtchen, wo alle, die noch wach waren, längst weggezogen sind. Zurück bleiben Taube und Blinde, die sich für keine Zeugenaussage eignen. Oder es sind Demenzkranke, die die Tat zwar sehen, aber schnell wieder vergessen. Ein Gasthof, geschlossen. All das ist gut. Menschenleere Verhältnisse. Aber auch von der Zielperson ist nichts zu sehen. Dann geht es in einen Bogen in den Wald, und jetzt kann ich meinen Augen kaum trauen. Die Straße ist gerade auf wenigstens 300 Metern. Am Fahrbahnrand geht einer, der wie die Zielperson aussieht. Die Fahrbahn ist spiegelnd glatt, damit muss man zurechtkommen. Meine Geschwindigkeit beträgt 80. Ich beschleunige, ohne dabei zu sehr aufs Gas zu treten. Die Zielperson ist klar erkennbar, sehr auffällig im Anzug, oben schon etwas licht, aber jugendlich und sympathisch wirkend. Sie kommt in meine Richtung auf der Gegenseite. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass sie keine Anstalten macht, mich aufzuhalten oder sich mir mitzuteilen. Der Jeep ist ihr am Parkplatz offenbar doch nicht aufgefallen, oder sie erkennt ihn unter diesen Lichtverhältnissen nicht. Der Straßengraben neben der Zielperson ist ein Problem, tief, aber wohl nicht betoniert. Es kann sein, dass sie mein Beschleunigen als Zeichen auffasst, dass hier ein Anwohner nicht von Fremden belästigt werden will. Im letzten Moment – ich bin fast schon an ihr vorbei – schwenke ich das Lenkrad und erfasse sie voll. Sie ist relativ groß. Man hört ein Knacken, das sind die Beine, und dann einen weichen Aufprall, der einen bauchigen Knall auf der Motorhaube erzeugt, dann fliegt etwas wie ein Luftballon über die Windschutzscheibe weg und schlägt hinten auf das Heck, während der Wagen in den Straßengraben rutscht und kippelt, andeutungsweise, dann durch ganz weichen Schlick gleitet, irgendwo anschrammt, dann scheppert es rechts am Rahmen, und rupft Gras und Holz aus der Böschung, scheint stecken zu wollen, löst sich aber gleich wieder raus, begradigt sich und die Reifen lassen zu, dass ich den Schwung dazu nutze, wieder aus dem Graben auf die Straße zu kommen. Jetzt kommt, was ich erwartet habe, ein Tanz auf dem Eis. Gefrorene Fahrbahn, Rutschgefahr. Das sind winterliche Arbeitsbedingungen, gerade in Deutschland. Wer da seine Ausbildung in Schweden gemacht hat, beispielsweise, oder in Russland, grinst da drüber. Aber ein Italiener könnte da schon aus der Form geraten. Der Wagen gleitet, kippelt wieder ein bisschen und dreht sich dabei zweimal um die Achse, ruckt auf der anderen Seite wieder in den gegenüberliegenden Straßengraben und reißt dabei mehrere Begrenzungszeichen mit, deren Plastik komische explodierende Töne von sich gibt, als würden Deckel hoch geschleudert. Jetzt steht der Wagen endlich, und ich blicke mich rund um. Niemand und nichts ist zu sehen, außer der reglosen Zielperson auf der anderen Fahrbahnseite, etwa fünfzig Meter entfernt. Oder sagen wir genauer: Was davon übrig geblieben ist. Denn die Spannung ist aus dem Körper raus und das macht jetzt den Eindruck einer Schaufensterpuppe, die dort liegt. Als wäre sie abgeworfen worden von einem Lastwagen. Ich drehe am Lenkrad. Der Jeep kommt mühelos frei. Ich begradige ihn, gehe sachte aufs Gas und fahr langsam nach vor, halte neben der Zielperson und steige aus. Es ist da ein Geruch von Blut und Dreck. Der Körper liegt gliederlos in der Art da, die mir sagt, dass hier der Bogen überspannt wurde und gebrochen ist. Der zur Seite verdrehte Kopf ist auffallend blass wie etwas, das nie durchblutet war. Der Eindruck ist sicherlich falsch. Da war eben noch was Rosiges und hat sich bewegt hinter der wohl starren Miene, die so einer hat, der sich etwas zuschulden kommen ließ. Ich drehe mich um, öffne die Heckklappe des Jeeps und breite die Plastikabdeckung auf der Ladefläche aus. Dann ziehe ich meinen Kunststoffoverall über. Zuerst glaube ich, es kann nicht sein, will es nicht wahrhaben. Es kommt jemand! Dann aber dauert es nur zwei Sekunden, bis ich wieder vorne im Cockpit sitze und mit dem Wagen einen Bogen fahre und umdrehe. Dieses Manöver gestalte ich so, dass ich dem Auto, das mir entgegen kommt, den Blick auf die Zielperson versperre. Es gelingt mir ganz gut. Das Auto ist recht schnell unterwegs und fährt anstandslos vorbei, wenn auch ein Blick

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