Abdruecker (Splattergeschichten)
seitlich, wahrscheinlich nach seinem Handy. Pech gehabt, es steckt neben mir in der Konsole, wie ich mich durch einen Seitenblick überzeuge. Drei Anrufe in Abwesenheit. Wen er da wohl ignoriert hat?
Ich schalte auf den fünften Gang hoch und lasse den Wagen auf 240 anrollen. Ein Hinweisschild: Nächste Ausfahrt angekündigt, keine Kilometerangabe. Ich schätze, es sind zwölf Kilometer. Ich merke, dass mein Herz schneller schlägt und sich im Kopf ein wohliger Druck aufbaut, den ich gut kenne. Es ist der Druck, den ich brauche. Der mir gut tut. Ich spüre so was, wenn ich gut unterwegs bin. Das ist das Ziel der ganzen Sache. Gut unterwegs sein. Und ich bin gut unterwegs, wenn ich meinen Jeep schone und mir mit dem Wagen der Zielperson selbst ein Aufprallmittel verschafft habe wie heute. Die Situation ist neu, und ich habe noch zehn Kilometer bis zur Ausfahrt, um mir zu überlegen, wie ich Mensch und Maschine so zusammenbringe, dass es glaubwürdig wirkt. Das ist ja eigentlich das Problem, nicht die Tat selbst, sondern die Interpretation der Tat. Man muss sich in die Psyche eines Menschen versetzen, der sein halbes Leben lang als Beamter zugange war und zahlreiche ungelöste Fälle sein eigen nennt, ein Polizist eben. Das ist nicht leicht als einer, der zeitlebens selbstständig war und eigenverantwortlich, aber es geht. Ich überlege, wie das Ergebnis aussehen soll. Vor meinem inneren Auge liegt auf einer Seite die Leiche und auf der anderen der Unfallwagen. Jemand, der in seinem Wagen einen Unfalltod erleidet, hat andere Verletzungen als einer, der von einem Wagen überrollt wird. Es sei denn, es wären sehr hohe Geschwindigkeiten im Spiel. Sind sie es aber, kann ich dabei nicht selbst im Auto sitzen und unversehrt bleiben. All das sind Aspekte, die man eigentlich in Ruhe beleuchten sollte. Geht aber nicht bei Tempo 200.
Schon ist die Ausfahrt da. Ich finde es schön, wie der Cayenne in der Kurve unter dem Sitz liegt. Ich ziehe den Wagen auf die Bundesstraße, die hier unter der Autobahn durchführt und fahre auf der anderen Seite wieder auf. Wieder öffnet sich mir das breite Band der Autobahn, die hier wenig befahren ist. Ein herrliches, weites Feld für einen Cayenne, der ja eigentlich zum Rasen gemacht ist. Ein Hinweisschild weist auf den Parkplatz auf der Gegenseite hin. Ich gehe die Sache in Gedanken durch, sehe mich die Autobahn zu Fuß queren. Und dann? Nächste Ausfahrt nach dem Parkplatz in 24 km. Das ist eine lange Zeit, selbst wenn man auf dem Tacho mittlerweile 260 erreicht. Ganz klar, die „Überraschung von hinten“ wäre bei dem Gerät fehlgeschlagen. Der Cayenne ist eine Art Kampfmaschine, die man in direkter Auseinandersetzung nicht bezwingen kann. Etwa wie Muhammed Ali gegen Joe Foreman in Afrika. Ein Jeep muss um einen Cayenne tänzeln, bis sich der Gegner ermüdet hat, vor eigener Kraft nicht mehr laufen kann, und dann kommt der entscheidende Uppercut. Ich versuche den Rest der Zeit ruhiger zu atmen, da ich merke, dass mir die Sache in den Kopf steigt, ich etwas zittrig werde und meine Arme dabei schwach werden und kaum zu kontrollieren sind. Nach einigen Minuten ist die Ausfahrt da. Ich wechsle die Fahrtrichtung und presche auf der Gegenseite wieder auf die Autobahn hoch. Von hier aus sind es noch einmal an die 15 km bis zum Parkplatz. Ich drossle das Tempo auf 160, dann auf 100 und überlege. Es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten. Blitzartig springen sie an meinem inneren Auge vorbei. Am Wahrscheinlichsten ist, dass die Zielperson einen der Lastwagenfahrer angesprochen hat, und dass der sein Handy benutzt, um den Diebstahl zu melden. Wenn das so wäre, könnte ich mir vorstellen, dass die Zielperson versucht, ihr eigenes Handy anzurufen. Er wirkt wie einer, der harmoniesüchtig ist und verbindlich und mit mir verhandeln würde. Vielleicht die Hälfte des Kaufpreises. Oder Finderlohn, das sind 10 Prozent. Ich stelle mir vor, wie er mir 5000 in die Hände drückt und sagt: Vielen Dank, dass Sie so verständnisvoll waren, Ihren Irrtum einzusehen und den Wagen unbeschadet zurückzubringen.
Das würde zumindest gelten, wenn der Wagen neu wäre. Ist er aber nicht. Was ist das Ding derzeit wert? Vielleicht 20.000. Wären immer noch 2000. Interessante Vorstellung. Aber ein Schwein würde sich nie auf dergleichen Verhandlungen einlassen. Ein Schwein kann man eigentlich nur platt machen. Und das ist ja der Sinn der heutigen Aktion, nicht wahr.
Da ist der Parkplatz. Hat er meinen Wagen gesehen und
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