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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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und sie trägt einen silbernen, schimmernden Hosenanzug, der etwas von Abba hat. Sie hat Turnschuhe an und wirkt wie jemand, der zufällig in den Tanzpalast gefunden hat. Ich stehe noch eine Weile da, während sie tanzt. Irgendwann einmal ist sie dann im Gewühl verschwunden. Der Tanzpalast geht über mehrere Etagen, und überall drängen sich Menschen und es ist so dunkel, dass man die Frau wohl selbst dann nicht mehr finden würde, wenn man nach ihr suchen würde und sie selbst spitz auf einen wäre. Nach dem Geruch wäre diese Suche unmöglich gewesen, und für das Auge gibt es jenseits der Tanzfläche Blitze und Farben und Zwielicht, nicht viel mehr.
     
    An die Frau habe ich längst nicht mehr gedacht, als mir mit einem Mal ein weißer Porsche Cayenne an der Stoßstange klebt. Die Situation ist folgend: Zwei Uhr morgens auf der Stadtautobahn. Der Verkehr ist stärker als früher einmal, zum Großteil Lastwagenfahrer, die mit trüben Blicken eng gestrickte Fahrpläne erfüllen. Einige Nachzügler, die in die Betten wollen. Einige Pendler, die schon aufgestanden sind und fern entlegene Ziele haben. Drei Fahrspuren. Ich bin auf der mittleren unterwegs, als ich merke, dass mir der Cayenne hinten auffährt, als wolle er meine Stoßstange berühren. Und dann sehe ich in den Rückspiegel und weiß, dass sie es ist. Ich kann sie in der dunklen Fläche des Wageninneren hinter den getönten Scheiben nicht sehen, oder vielleicht eine Kontur mit einer Körperhaltung, die für sie charakteristisch ist. Woher ich das weiß? Ich beschleunige leicht, doch es zieht ihren Wagen wie mit einer Schnur hinter meinen nach. Wir fahren 80, dann 100, dann 120. Vor uns öffnen sich die Rücklichter der vor uns Fahrenden wie ein Fächer von Lichtpunkten, die sich beschleunigen, je schneller wir durch sie durch fahren. Nach einigen Kilometern bin ich in meinem Jeep auf 180, doch der Abstand ihres Cayenne hat sich nicht im Mindesten verringert. Es ist keine kleine Kunst, mir so knapp an der Stoßstange zu kleben, ohne hinein zu stoßen oder zurück zu fallen. Der Wagen vibriert. Es kommt eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120, 100, 80 und zuletzt 60 bei Fahrbahnverschmälerung mit kleiner Linkskurve. Ich brettere mit mittlerweile 200 durch, an mehreren Wägen vorbei, die dadurch dermaßen in Panik geraten, dass einer aus dem Gleichgewicht kommt, gegen den Fahrbahnteiler stößt, sich quer dreht und in die Baustelle hinein rutscht, dort irgendwo aufprallt und zu stehen kommt. Alle anderen in der Fahrbahnenge bremsen, das sieht aus wie Pferde, die im vollen Galopp am Halfter zurück gerissen werden. Alles ziemlich komisch. Ungewöhnlich aber ist, dass die Frau mir während dieser ganzen Aktion auf den Fersen bleibt. Gerade an dem Ausreißer vorbei gerutscht, selbst etwas aus der Spur geraten, hat sie vielleicht zwanzig Meter verloren, holt aber bereits auf, als ich schon wieder aus der Enge heraus schanzenartig über eine Bodenwelle springe bei knapp 250 und nun, als sich die Autobahn öffnet, weiter beschleunige. Die Straße ist hier gerade, doch keinesfalls leer. Dreispurig, wobei ganz rechts LKWs dicht auf dicht fahren. Ein Hupkonzert begleitet uns, mit dröhnenden LKW-Sirenen, und einmal blitzt rot die Geschwindigkeitsmessung auf, während ich schon längst 280 auf der Tachonadel habe. Erstaunlich, dass der Cayenne der Frau da mitmacht. Als wir uns in einer langen Rechtskurve auf 300 einpendeln und dann durch Anstieg und Senke und Fahrbahnverengung durch mehrere Kurven rasen, bis dann wieder eine lange, breite Gerade kommt, verliert sie an Tempo, rutscht mehrere hundert Meter zurück. Ich könnte hier an dieser Stelle, zirka 12 Kilometer vor der Einmündung der nächsten Autobahn, einfach davon fahren. Stattdessen aber verlangsame ich auf 180. Ich merke gleich, dass sie das Zeichen verstanden hat. Hat sie zuerst aufgeben und abschwenken wollen, bleibt sie jetzt an mir dran, und das in ganz normalem Sicherheitsabstand. Und als ich einige Kilometer später die Autobahn verlasse und auf der Landstraße weiter fahre, folgt sie mir.
     
    Es ist hier eine mäßig besiedelte Gegend. Zwar kann man kaum fünf Kilometer fahren und stößt schon wieder auf ein Ortsschild, doch man ist in den Käffern innerhalb von zwei Minuten durch, kann das Tempo auf 100 halten und bleibt trotzdem auf der Straße. Die Frau verhält sich drei Orte lang manierlich. Es ist fast, als hätten wir einen Waffenstillstand geschlossen. Dann aber, aus heiterem Himmel,

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