Abdruecker (Splattergeschichten)
erkannt, ist er in ihn eingebrochen? Notiert er sich die Nummer? Es ist ein gefälschtes Nummernschild, also kein Problem. Aber der Wagen muss dort weg, das ist mir auch klar. Nun aber Prioritäten setzen. Ich sehe ihn sogleich. Man könnte glauben, er wolle sich im Unterholz erleichtern, denn er dringt dort ein. Was macht er denn da? Will er denn den Autobahnbereich verlassen? Ja. Er sieht nicht einmal, dass sein Wagen auf den Parkplatz fährt, blickt sich gar nicht mehr um, ist schon so weit in die Büsche gekommen, dass er keinen Blick mehr zurück kennt. Jetzt bin ich schon durch den Parkplatz durchgefahren. Ich sehe ihn wieder im Rückspiegel verschwinden, rolle aus dem Parkplatz heraus und überlege, während ich schon wieder auf die Autobahn auffahre, einem Lastwagen voraus, der Lichthupe gibt, der Trottel. Weiß der nicht, dass ein Cayenne in zwei Sekunden auf 150 ist? Ich ziehe wieder hinaus in die Ferne des Asphaltbandes und überlege. Wo kommt das Wild hin, wenn es da hinten durch den Wald steigt? Es ist hier nichts, zumindest nach meinem Gedächtnis. Was bringt den Mann dazu, keine fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen? Fremde Hilfe ist ja die Hauptkomplikationen in Situationen wie diesen. Da macht es einem ein Schwein leicht. Denn ein Schwein spricht nicht mit anderen, setzt nie auf Solidarität, fordert kein Mitgefühl ein. Es weiß eben, dass es ein Schwein ist und entweder den anderen bescheißt oder platt gemacht wird. Kompromisse geht es im Leben keine eine. Und vielleicht hat es auf dem Parkplatz auch niemanden gefunden, der ihn versteht oder ihm aus der Patsche helfen will. Der eine Brummi ist weg, der hat ihm wohl nicht geholfen. Hat ihn akustisch nicht verstanden oder auch eine andere Sprache gesprochen oder auch ausländische Gefühle gepflogen. Der andere Brummifahrer schläft oder hat Angst und öffnet seine Tür nicht, das wäre auch möglich. Auf mangelnde Solidarität zwischen den Menschen kann man setzen. Da kann man sein Geld darauf verwetten. Ich grinse, bin aber noch keinen Deut weitergekommen. Vor meinem inneren Auge sehe ich das Wild durch den Wald stapfen und überschlage die Distanzen, die es jetzt zurücklegen will. Ich sehe die Autobahn, ich sehe den Autobahnplatz, ich sehe die Landstraße von vorhin. Wo führt sie hin? Wann kann das Wild hoffen, wieder auf Anzeichen von Zivilisation zu stoßen? Kehrt es vielleicht wieder um, weil das Dickicht im Wald zu groß wird oder es als Mensch die Orientierung zu verlieren droht? Der Parkplatz ist kein schlechter Ort, um Hilfe zu kriegen. Es wird doch immer wieder Leute geben, die im PKW auf dem Parkplatz ankommen und ein Handy dabei haben, mit dem man Hilfe holen kann. Oder was ist mit den Pannenhilfen, den kleinen Rufsäulen. Gibt es so eine am Parkplatz? Ich kann es nicht sagen. Könnte auch defekt sein. Hoffentlich ist es das. Ich versuche also die Perspektive des Opfers einzunehmen, mich empathisch in seine autolose, sich nach einem Auto sehnende Seele einzufühlen. Während ich mir also überlege, wie es weitergehen soll, komme ich schon wieder an die nächste Ausfahrt, biege dort hinab und schaue mich um. Hier ist eine Bundesstraße, sonst nichts. Waldwege, die ich unberücksichtigt lasse. Schon bin ich ein, zwei Kilometer weit gefahren, blicke dabei unablässig nach rechts, sehe aber keine Landstraße, die zurück zum Wild führt, auf es zu, in es hinein. Das Bild weit aufgerissener Augen und eines bleichen Gesichts im Licht von Scheinwerfern taucht in mir auf. Ich bremse, lenke an den Fahrbahnrand und durchsuche den Wagen nach einem Straßenatlas. Ich finde oben in der Ablage ein Exemplar, blättere es auf und studiere das Straßennetz. In mir macht sich ein merkwürdiges Gefühl breit, eine Art Spaltung. Einerseits hoffe ich immer noch, die Zielperson zu treffen. Andererseits ist da eine Stimme, die mir sagt: Bring zuerst den Jeep in Sicherheit, dann hast du immer noch Zeit. Da sagt die andere Stimme: Wenn du so lange wartest, hast Du schon verloren. Gibt die eine Stimme zurück: Wenn er eins und eins zusammenzählt, weiß er doch, dass der Jeep dir gehören muss. Vielleicht kehrt er jetzt schon dorthin zurück, versucht ihn aufzubrechen. Ich sehe einen Stein durch das Seitenfenster meines geliebten Jeeps fliegen und werde richtig wütend. Vielleicht weiß er, wie man einen Jeep kaltstartet (nee, weiß er nich ...) und fährt damit zur Polizei (eher nich ...). Mir flimmern die Straßen vor Augen, ich kann kaum denken. Bevor ich es
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