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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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Frage eigentlich nur mehr, wie sich der einzelne Fahrer stellt. Ich muss mal einen Kumpel fragen, wie man das neuerdings macht.
    „ Für so jung hätte ich dich gar nicht eingestuft“, sage ich. Sie nimmt die Beleidigung hin, ohne zusammen zu zucken.
    „ Ich kannte ihn aus Moskau“, sagt sie schließlich. „Er war einer von uns.“
    „ Wenn er einer von euch war – wer will ihn dann tot sehen?“ frage ich.
    Sie blickt mich an. Auch eine Frage.
    „ Keine Ahnung“, gebe ich zur Antwort.
    „ Ich auch nicht.“
    Sie steht auf und geht ans Fenster. Frauen, die einem den Rücken zukehren und zum Fenster hinaus schauen, fangen dann gleich zu Reden an. Bei ihr ist es aber nicht so. Sie steht dort eine Weile.
    „ Ihr ward zusammen?“ frage ich. Dann dreht sie sich wieder um.
    „ Wie ist er gestorben?“
    „ Auf der Landstraße. Es war ein Verkehrsunfall“, sage ich.
    „ Wie genau?“
    „ Er prallte auf, flog dann über den Wagen weg und dann habe ich ihn noch mal mit den Reifen geplättet. Zur Sicherheit, gewissermaßen. Er war noch nicht tot.“
    Irgendwas passiert jetzt in ihrem Gesicht. Sie nimmt die Jacke des Mannes, der hier wohnt, hinter der Tür, zieht sie an und geht hinaus. Es wird jetzt ganz still in der Hütte, und ich verstehe die Situation. Eine Waffe hat sie nicht mitgenommen. Es geht also darum, was sie vor der Tür findet. Ich überlege mir, was sie tun wird. Da höre ich es schon nebenan. Es ist Splittern, und etwas mit Holz. Ich denke, sie hat ein Fenster eingeschlagen. Ich stehe auf und schaue mich in der Bude um. Hinten im Werkzeugraum finde ich eine Axt mit langem Schaft und guter Klinge. Ein Messer aus dem Küchenschrank, das ich mir seitlich unter den Gürtel schiebe. Ein Seil, das ich zu einer Schlinge knüpfe und mir um den Hals lege. Das Ende, in einer Rolle, schiebe ich in die Tasche der Jacke, die ich mir überstreife. Wahrscheinlich wartet sie irgendwo vor der Tür. Oder, wenn sie ganz raffiniert ist, irgendwo hinten. Am Besten also, ich steige gerade dort aus dem Fenster, wo eben das Geräusch her kam. Nämlich auf der Seite, die dem Nachbarhäuschen zugewandt ist. Dort wird sie niemals sein, denn sie glaubt, dass sie dort gesehen werden kann.
    Ich behalte Recht. Es bleibt ruhig, als ich dort mit der Axt in der rechten Hand hinaus gleite. Ruhe kann ja auch trügerisch sein. Aber es ist die Ruhe, wo nichts ist. Man spürt das. Und wenn ich so in mich hinein spüre, weiß ich auch, wo sie ist. Irgendwo, wo sie den Jeep sehen kann. Denn der Jeep ist auch ihr Ticket zurück in die Zivilisation. Und ich bin praktisch die Fleischhülle, die ihr den Schlüssel bringt. Noch atme ich, noch pulsiert es in mir. Wenn es aber nach ihr geht, hört das dort auf dem Vorplatz, wo der Jeep steht, auf. Und dann wird Jeka oder wie immer sie heißt, einsteigen und wegfahren mit dem Gefühl, einen Auftrag erfüllt zu haben. Dieser Auftrag beinhaltet meinen Tod. Deshalb muss sie mir gefolgt sein, als ich der Zielperson folgte. Ich habe davon nichts gemerkt, aber ich denke, sie ist elektronisch gut ausgestattet. Es hat gereicht, mir einen Peilsender an den Jeep zu kleben, und sie wusste immer, wo ich war. Sie wusste nicht, wie der Mann starb. Deshalb hat sie mit mir gesprochen. Diese Information reichte aus, um den nächsten Akt einzuläuten. Nämlich den, wo es mano a mano zugeht. Und das rechne ich ihr hoch an. Sie hätte beiläufig ein Messer aus der Schublade ziehen und mir in den Hals werfen können, so dass die Spitze im Nacken raus schaut. Hat sie aber nicht. Sie hätte sich, was das Bond-Girls tun, splitternackt ausziehen können und mit mir Liebe machen, und danach – wie die das noch nicht konnten - wenn man etwas schläfrig ist, einen lähmenden Hieb versetzen und mir den Garaus machen können. Hat sie auch nicht. Wenn es schon zu einer Auseinandersetzung kommen soll, dann in Form eines Wettkampfs. So wie sie das gestern gemacht hat, als sie high war. Sie wollte mich spüren, so wie ich sie spüren wollte. Noch bevor sie die Information hatte, die sie ihren Auftraggebern übermitteln sollte. All das gefällt mir. Wenn auch der Ausgang des heutigen Spiels hier in der gefrorenen Landschaft noch nicht fest steht. Klar ist, dass ich sie töten muss, um von hier weg zu kommen, und dass die Gedanken, die ich hege, nicht dazu geeignet sind, mir bei der Herbeiführung dieses Ziels zu helfen.
     
    Es hat heute maximal 10 Grad minus. Kein Thema für Menschen aus kälteren Klimazonen, aber immerhin

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