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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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habe bestanden! Jeka, die mir seit drei Jahren nicht aus dem Kopf geht. Jeka, die das Autospiel mit GPS macht. Vielleicht sollte es das Navi-Spiel heißen. Der Anruf ist eine Prüfung gewesen und sie ist positiv ausgefallen, doch wie positiv? Ich kann es nicht sagen. Aber wieder nach all dieser Zeit, die ich keine Frau gehabt habe, in diese Beziehungsgeschichten hineingezogen zu werden, das ist so, als wäre man wieder der Neue am Schulhof, der beäugt wird, und von dem man nicht weiß, ob er einmal der Schwarm aller Mädchen werden wird, oder der Prügelknabe, der so lange gemobbt werden wird, bis er Selbstmord begeht. Oder irgendwas dazwischen. Oder vielleicht bin ich schon zu lange in diesem Spiel? überlege ich.
     
    Ab jetzt kann alles sehr schnell gehen. Als ich merke, dass ich im Zimmer auf und ab gehe wie der Panther von Rilke – wie geht das? „es ist, als ob es zwischen allen Stäben keine Welt mehr gäbe, und hinter allen Welten keine …? -, beschließe ich, einen Spaziergang zu machen, um ruhiger zu werden, fahre mit dem Lift hinunter und gehe im kurzen Hemd hinaus auf den Vorplatz. Draußen, jenseits der getönten Scheiben und der Klimaanlage, ist es drückend heiß. Die hohen, hellen Gebäude treten zurück, und inmitten beinahe farblosen Betons und dem weißen Sand ist der schwarze, dampfende Asphalt in beiden Richtungen der einzige Orientierungspunkt in dieser absurden Stadt, die keine Stadt ist, sondern betonierte Einsamkeit, umgeben von Sand und Stein und Meer. Die Luft flirrt, und wird gehoben von Hitze, und es ist, als müsse man darunter in einem Vakuum ersticken. Halbherzig schreite ich im Schutz der Mauer der Hotelanlage und schließe mich dann Palmen an, die einer Anhöhe zustreben, kehre dann aber, als sich die Konturen meines gebügelten Hemdes und meiner Anzughose unter meinem heftigen Schwitzen in Minutenschnelle aufzulösen beginnen, wieder um. Ich bin deutlich zu früh in der Bar, esse einige gesalzenen Erdnüsse und trinke ein Glas süßen Colas nach dem anderen.
     
    Jeka kommt eine halbe Stunde zu spät, was mich ruhelos macht. Nachdem sie im selben Hotel untergebracht ist – wie kann sie sich überhaupt verspäten? Als sie dann kommt, etwas hastig und verschwitzt, verstärkt das meinen Verdacht eher noch, dass sie ein Spiel treibt. Oder ist das bei den Frauen in der akademischen Mittelschicht von Moskau so, dass man kokett ist und männliche Kandidaten erst einmal schwitzen lässt, bevor man sich zeigt? Oder ist man dort zerstreut und sagt irgendeine Zeit, und während man noch viele andere Sachen treibt, die wichtiger sind als dieses Date, schlägt man sich dann plötzlich auf die Stirn und sagt: „Da war doch was, doch, ich habe mich doch um fünf verabredet. Ui, das ist jetzt aber schon spät.“ Ich habe keine Ahnung von diesen Dingen. Ich bin ein primitiver Steppenbewohner. Oder ist es so, dass es in Moskau andere Uhren gibt? Uhren, deren Zeiger langsam sind und unter dem Uhrglas am Arm dahin schleichen und dreiviertel Fünf anzeigen, wenn es schon halb Sechs ist, wodurch sich ihren Trägern die bange Frage stellt: „Geh ich jetzt schon hinunter? Aber dann bin ich zu früh, und eine schöne Frau, die allein in der Bar herum sitzt, wird doch nur angemacht. Nein, vielleicht warte ich noch eine Viertelstunde. Oder doch, ich gehe jetzt schon. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass der Steppenbewohner schon auf mich wartet. Ich muss ihm doch zeigen, dass ich wirklich daran interessiert bin, ihn kennen zu lernen, also setze ich mich jetzt allein in die Bar und gucke unter meinen extra für ihn angeklebten Wimpern nach ihm aus, verziehe meine für ihn geschminkten Lippen …
    Jeka kommt ungeschminkt im dunkelblauen Poweranzug auf mich zu, lächelt gezwungen wie eine, die nicht viel Zeit hat und stößt ein Stöhnen aus. „Was für ein Tag! Ich habe ein bisschen den Blick auf die Uhr vergessen“, meint sie, „ich war noch im Kraftraum, du musst mich entschuldigen. Und dann hoch und duschen und die Kleider wechseln und so weiter …“
    „ Du trainierst wohl sehr viel?“ frage ich.
    „ Meine Muskeln waren schon perfekt in meiner Jugend, oder ich wäre nie für diesen Beruf ausersehen worden.“
    „ Du hast doch Physik studiert, oder? Meinst du, eine Physikerin muss fit sein, um sich Tag für Tag über Formeln zu krümmen?“ sage ich im scherzhaften Ton, aber der wird von meinem Ärger über ihr zu spät Kommen etwas überlagert und ich überlege mir, ob ich sagen soll,

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