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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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Alterssicherung zu schaffen. Wenn er einmal nicht mehr die Kraft oder Schnelligkeit hat, um diesen Beruf ausüben zu können, geht er in den Ruhestand und lebt die Zinsen des Kapitals, das er im Laufe der Jahre erworben hat, wie jeder andere redliche Bürger ab. Der Überzeugungstäter dagegen ist eine Art Schauspieler, der mit seinem Tun den großen Erguss sucht, um dann zu verlöschen wie eine Flamme, die ihre Basis aufgebraucht hat. Bei den einen ist es Benzin, bei den anderen Alkohol, und die Mehrzahl von uns leben von Docht und Wachs. Soviel zum Thema des Kongresses. Das Besondere aber daran ist Jekas Vortrag. Sie spricht im Auftrag der Russen unter dem Titel „Plutonium & Co.“ über die Einsatzmöglichkeiten von Radionukliden bei Tötungen. Sie wirkt älter als in Berlin, vielleicht Anfang, Mitte Dreißig, mit einem Hauch von grauen Haaren. Eine Gepardin mit einem Körper, dem man ansieht, dass sie nicht gerne isst, aber sich sehr gerne bewegt.
    Ich denke gerade an sie, als das Telefon schnurrt. Ich stehe im 57. Stockwerk eines Hotelbaus und starre hinaus auf die Wüste, das Meer und den Himmel. „Ja, hier ist Jeka“, sagt sie.
    „ Wie geht es dir?“
    „ Ja, eigentlich ganz gut. Ich bin hier mit allem soweit fertig, und da fällt natürlich einiges von einem ab.“
    „ Schade, dass ich das Meiste versäumt habe“, sage ich. „Ich bin später gekommen.
    „ Gut, also. Der Grund, warum ich anrufe, ist der. Du lebst doch in Deutschland, oder?“
    „ Ja.“
    Sie zögert. „Deutschland ist für uns ein wichtiger Partner. Und die Menschen dort haben Berührungsängste mit uns. Es geht nicht darum, dass wir uns wer weiß was erwarten, aber es geht einfach um eine Verbesserung des Gesprächsklimas. Und nachdem du die Deutschen kennst, möchte ich gerne, dass du dir Zeit nimmst, mit mir über unser Angebot zu sprechen. Ich möchte dich von unserer Arbeit überzeugen.“
    „ Ich fand deinen Auftritt überzeugend. Ich glaube, erste Bestellungen aus Deutschland an Plutonium sind zu erwarten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Kundenkreis zu deinen Kunden zählen wird. Dazu ist er zu klein und es ist ja auch eine Frage der Kosten. Aber ich habe dein Referat genossen und fand, dass es einige neue Aspekte aufgezeigt hat.“
    „ Warum plaudern wir nicht ein bisschen darüber?“ fragt sie abrupt. Vielleicht bist du auch interessiert daran, einen anderen Menschen kennen zu lernen. Ich hoffe, du kannst es ertragen, dass eine fremde Frau das fragt.“
    „ Genau. Ja, gut.“ Ich zwinge mich, enthusiastisch zu klingen, und ein bisschen unbedarft, wie das eben ein Mann tut, der sich in seinem Hotelzimmer gelangweilt hat und sich freut, von einer Schönheit angerufen zu werden. „Ich freue mich, dass du mich kennen lernen willst, Jeka. Gib einen Ort und eine Zeit vor, und der Rest ist Improvisation.“
    „ Wie wäre es mit heute? In der Bar unten, auf dem Durchgang zum Pool.“
    „ Heute.“
    „ Oder morgen.“
    „ Nein, heute ist gut. Sagen wir um fünf Uhr?“
    Ihre Stimme scheint ebenso erfreut wie meine, erleichtert, ganz hell: „Einverstanden.“
     
    Als ich aufgelegt habe, habe ich keine Ruhe mehr. Die Begegnung zwischen Mann und Frau ist mehr als die simple Frage, ob man Sex haben wird und wenn ja, welchen. Es ist eine Geschichte, die beginnt, und auf etwas zu läuft und dann irgendwann einmal an ihr Ende kommt. Das können Sekunden sein oder Jahrzehnte, man weiß es nicht. Diese Geschichte wird von zwei Menschen erzählt, und solange das so ist, gibt es sie überhaupt. Je mehr die Erzählungen auseinander weichen, desto unglaubwürdiger wird sie, und es kann dann auch vorkommen, dass sie nur mehr von einem allein erzählt wird, was gleich bedeutend ist mit Erinnerung, aber nichts mehr Reelles. Der Impuls für das Erzählen aber, das sind diese kleinen Prüfungen. Man prüft den anderen, man wird geprüft, und manchmal fällt man durch, manchmal wird man ausgezeichnet, jedenfalls aber wird man benotet, und durch das Benoten weiß man überhaupt erst, wer man ist. Manche halten sich für Vorzugsschüler der Liebe und sind doch nur „gut“, was auch nicht schlecht ist. Andere sind schon längst durchgefallen, versuchen sich aber immer noch als „durchschnittlich“ einzustufen, was ja auch eine einsame Tätigkeit ist für einsame Menschen, die längst keine Beziehungen mehr haben. Und wovon mir nun das Herz geht, ist, dass es Jeka war, die diese erste Prüfung mit mir gemacht hat. Und ich

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