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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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eine Limitierung. Die einzige warme Zelle in weiter Umgebung ist das Häuschen selbst. Es kühlt zwar aus, weil es schon zwei Löcher durch offene Fenster hat, doch die Neigung, dort zwischendurch Schutz zu suchen, ist da. Wo kann sie ihren Unterstand haben? Welche Stelle bietet ihr einen Überraschungsmoment? Es ist eigentlich die Situation, die man von der Jagd kennt. Das Wild hat Engstellen im Gelände, durch die es auf der Suche nach saftigeren Weiden durch muss. So eine Engstelle ist hier die Zufahrt zum Haus, wo der Jeep steht. Eine andere besteht unten am Steg, wenn man um das Heraus herum schleicht. Dort gibt es keinen Sichtschutz. Nachdem ich den Schlüssel für den Jeep habe und wegfahren will, ist die erste Engstelle wichtiger. Sie wird einerseits von der Längsseite des Hauses begrenzt, die nun für mich auf der anderen Seite liegt. Dann vom nächsten Grundstück auf der anderen Seite. Wenn ich zum Jeep will, dann kann entweder durch das Haus steigen oder ich gehe weit herum auf die andere Seite, arbeite mich durch das Nachbargrundstück zur Hecke vor und komme dort heraus. Das Gebiet um den Jeep ist der Kampfplatz, soviel steht fest. Man kann dort eigentlich nur bestimmen, von welcher Seite aus und wie man den Kampfplatz betritt. Ich überlege mir das, während ich vorsichtig durch das Nachbargrundstück streife, aus dem Jeka ihre Kampfmittel entwendet hat. Es ist ein kleiner Garten mit einem Häuschen. Eingebrochen ist sie auf der Gegenseite, wohl in der Hoffnung, dass ich davon nichts mitkriege. Theoretisch ist sie ja noch da, irgendwo zwischen den Bäumen, hinter einer Hecke, oder im Häuschen selbst. Aber mein Gefühl und die Logik sagen mir, dass sie längst nicht mehr da ist. Denn so ein Zweikampf hat Regeln. Und zu diesen Regeln gehört, dass sich jeder eine Strategie zurechtlegt. Und zu dieser Strategie gehört die Wahl des Kampfplatzes. Dafür ist dieses Häuschen denkbar ungeeignet. Man kann sich hier keinen Vorteil verschaffen. Es ist alles sehr eng und der Überraschungsmoment fehlt. Denn wenn man ehrlich ist, kann kein Gegner so schwach sein, dass man nicht versuchen muss, ihn in jeder Hinsicht zu übertreffen.
    In dem Augenblick gefriert mir das Blut zu Eis. Ich höre ein Geräusch, das ich gut kenne. Es ist das Motorgeräusch des Jeeps, wenn er startet. Eigentlich kenne ich es nur von innen. Von außen hört es sich ominös an. Meine Beine beginnen zu laufen, bevor ich ihnen bewusst den Befehl dazu gebe. Ich komme vorne an der Straße gemeinsam mit dem Jeep an, der im Rückwärtsgang dort vor schießt. Jetzt könnte ich die Axt schleudern. Durch das Fenster vorne, auf den Lenker zu. Jekas Gesicht ist abgewandt. Sie ist vollauf damit beschäftigt, den Wagen nun herum zu reißen, den ersten Gang einzulegen und den Waldweg hinaus zu lenken. Etwas Glück müsste dabei sein, aufgrund der Länge des Schaftes. Die Axt würde ihren Kopf stumpf treffen, bestenfalls. Der Moment, in dem der Wagen still steht, ist weg. Sie schaltet schon auf den zweiten, den dritten Gang hoch und ist innerhalb weniger Sekunden unerreichbar fern. Ich laufe gerade noch und schon bleibe ich stehen, außer Atem, nach zwanzig, dreißig Metern. Hilflos. Jetzt verstehe ich, welche Waffe sie nebenan gesucht hat: Einen Schraubenzieher, und lose Kabel. Jemand, der in Moskau groß geworden ist, weiß, wie er einen Jeep ohne Schlüssel startet. Und ein Gegner, der auch mal auf die Vernichtung des anderen verzichten kann, gehört strategisch wohl auch schon eher zur Version 2.0, die beim Autocrash-Spiel das GPS benutzt. Oder nie die Absicht hatte, den anderen zu töten. Man wird langsam alt, denke ich, während ich darauf warte, bis ich wieder zu Atem komme.
     
     
     
     
     

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    Der Kongress in Dubai findet gut drei Jahre nach diesen Ereignissen statt. Eingeladen haben in diesem Jahr die Amerikaner, und auf der Agenda steht die Frage, welche Bedrohung Selbstmordattentäter aus ideologischen Gründen für unseren Berufszweig darstellen. Dieses Thema kommt schon im Eröffnungsvortrag zur Sprache. Der Beruf des Überzeugungstäters ist ja im Grunde genommen die Negation all dessen, was wir tun. Denn wenn es dabei nicht mehr um das Geld gehen soll, verschwindet jede Objektivität unseres Handelns. Der Berufskiller ist kein Dilettant, der aus persönlichen Motiven in dieses Geschäft einsteigt, sondern Mitglied eines Verbandes, der eine Lizenz erwirbt, die er dann nach allen Regeln der Kunst ausbeutet, um sich eine

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