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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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gesprochen. Das ist ein ganz armes Schwein. Schwer depressiv. Nimmt dauerhaft Tofranil gegen ihre Depressionen. Die ist viel zu schwach, um jemandem was anzutun. – In ihrer Schlafzimmer-Kommode habe ich übrigens was Interessantes gefunden. Ich meine, es muss nicht ernsthaft was bedeuten, aber –«
    »Ja, was denn nun?«, unterbrach Bärwald.
    Elke Clausen fischte ein Blatt aus der Mappe und hielt es hoch, als zöge sie den letzten Trumpf aus einer Wundertüte. »Hier – ein Abschiedsbrief, der einen Selbstmord ankündigt. Geschrieben auf Schreibmaschine.«
    »Von wem?«, sagten mehrere Stimmen gleichzeitig.
    »Weiß ich nicht. Ich kann euch nur den Text liefern.«
    »Das sagst du erst jetzt?«, fauchte Bärwald. »Lies mal vor«, sagte Danzik. »Hier: ›Ich mache Schluss, ich kann nicht mehr. Ich danke allen, die mich geliebt haben. Verzeiht mir.‹«
    »Keine Unterschrift?«
    »Nein, keine Unterschrift.«
    »Warum schreibt man einen Abschiedsbrief auf der Maschine?«
    »Weil es gar nicht für einen selbst ist. Weil es ein Entwurf für den angeblichen Selbstmord eines anderen ist«, sagte Rathjen. »Gut, Georg«, sagte Danzik. »Und zwar für den angeblichen Selbstmord der Elisabeth Holthusen. Ich werde Anja Holthusen damit konfrontieren. Morgen kommt sie aufs Präsidium, dann ist sie dran.«

16
    Werner Danzik parkte vor der Spar-Filiale in der Hallerstraße. Er mochte diese Filiale: die überschaubare Gliederung, der Raum nicht zu groß, dazu das vielseitige Angebot. Man brauchte in keine Weinhandlung und in kein Feinkost-Geschäft mehr zu gehen, alles, was sein Feinschmeckerherz begehrte, war hier zu moderaten Preisen versammelt.
    Er ging zu der Schlemmer-Ecke hinüber und pendelte unschlüssig zwischen Salat-, Käse- und Fischbuffet hin und her. Neben der Salatbar erstreckte sich das Weinregal. Sollte er mal einen neuen Wein probieren? Im Trend lagen jetzt Australien, Südafrika und Kalifornien. Aber was hieß schon Trend, die mussten ja nicht besser schmecken. Er sollte lieber die deutschen Weinbauern unterstützen. Er griff nach einem Riesling. Und jetzt noch ein paar passende Leckereien dazu … Danzik konnte sich nicht entscheiden. Er wurde abgelenkt durch die eigene innere Euphorie, die ihn beflügelte. Er war dem Fall näher gekommen. Der Entwurf des Abschiedsbriefs. Es konnte gar nicht anders sein: Anja Holthusen war die Täterin. Von ihrer Schwiegermutter so ausdauernd und tief gedemütigt, bis der letzte Lebensfunke zertreten war.
    Bis es nur noch Depression gab, die umgeschlagen war in Aggression. Der letzte verzweifelte Versuch zu überleben, um doch noch eine friedliche Ehe mit ihrem Mann Thomas führen zu können. Sie oder ich
    - eine Konstellation, die nicht selten vorkam, weil die ältere Generation nicht für sich bleiben wollte oder konnte. Seine Mutter fiel ihm ein, und sein heiteres Erhobensein verflüchtigte sich. Er fühlte sich wieder schwer, als sei jeder Schritt eine Aufgabe … »Kann ich Ihnen behilflich sein?« Er schreckte auf. Er stand vor der Fisch-Theke und wusste nicht, was er wollte. »Danke, ich seh mich noch ein bisschen um.«
    Plötzlich lächelte er leise. Werner Danzik nahm das Handy und wählte Lauras Nummer. »Meine Süße
    - ja, es geht mir gut – bei Spar, ich bin grad dabei, was Schönes für uns einzukaufen. – Ja, ich bin heute früher zu Hause. – Was, du kannst nicht? – Na, immerhin. Ciao, bis später.«
    Er fasste nach dem Einkaufswagen. Ja, das war ein Fehler von ihm, dass er immer dachte, sie sei parat für ihn, sitze da auf Abruf, um jederzeit zu ihm rüberzukommen. »Nur, weil ich free-lancer bin, denkt jeder, dass ich Zeit habe. Dass ich sofort losspringen kann. Eine so genannte Freundin von mir, die keinen Führerschein hat, hat mich doch allen Ernstes gebeten, sie mit meinem Auto zu Antiquitäten-Geschäften zu chauffieren. Ein anderer wollte, dass ich mit ihm auf eine Behörde gehe.«
    Du hast ja Recht, meine Süße, dachte Danzik. Aber was soll ich machen? Dienst ist Dienst, und Mord ist Mord. Ja, es war, nach kurzer telefonischer Verabredung, ein ständiges »Herüberkommen«. Sie zu ihm oder er zu ihr. Er fand es inzwischen trist und auf die Laune drückend, wenn er ohne sie die Nacht verbringen musste. Mit ihr zu schlafen, im doppelten Sinn, war ihm ein unentbehrliches Bedürfnis geworden.
    Sie kam also später. Na, das machte nichts. Dann hatte er genug Zeit, alles vorzubereiten, und sie brauchte sich nur noch an den gedeckten Tisch zu

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