Abendfrieden
lächelte. »Einen Kaffee, Jürgen?«
»Ja, ja. – Du hörst mir zu, Werner?«
»Aber sicher.«
»Also: Das Haus in der Parkallee. Es war Brandstiftung!«
»Nein!« Danzik stellte die Tasse ab.
»Doch. Du warst also nicht umsonst vor Ort.«
»Dann hab ich jetzt noch einen Mordfall Mewes am Hals.« Danzik ließ seinen Kopf in die Hand fallen. »Hast du. Pass auf: Der Brand ist in der Küche gelegt worden. Aber er hätte überall gelegt werden können. Das mit der Küche war nur eine Finte. Weil dort gewöhnlich am meisten passiert. Der Täter wollte nur was suggerieren: Der Herd war nicht ausgestellt oder die Kaffeemaschine, oder es gab ein defektes Haushaltsgerät und so weiter. Ein paar angebrannte Kerzen lagen auch herum. Aber wer zündet im Frühling schon Kerzen an? Tatsächlich haben wir einen Brandbeschleuniger und ein billiges, quietschgrünes Feuerzeug gefunden.«
»Benzin?«
»Ja, ganz simpel Benzin. Aber nur ganz wenig. Minimal. Der Täter hat offensichtlich Angst vor einer Verpuffung gehabt. Muss ein ziemlicher Döskopp sein, dass er uns solche Spuren hinterlässt.«
»Könnte es auch ein weiblicher Döskopp sein?«
»Kaum. Statistisch gesehen, machen so was überwiegend Männer.« Jürgen Fedder ließ ein polterndes Lachen los. »Jetzt rattert bei dir schon die Motivsuche an, hab ich Recht?«
»Stimmt. Jürgen, du hast dich auch mit Profiling befasst. Erklär mir noch mal, was diese Brandstifter für Typen sind.«
»Gut. Ich will das mit aller Vorsicht mal generalisieren. Der Typ hat psychische Defekte, ist oft alkoholkrank, wird geleitet von einem Motivbündel persönlicher Probleme, die bis in Kindheit und Elternhaus zurückreichen und sich in Schule und in den ersten Berufsjahren fortsetzen.«
»Lieber Jürgen, mein Vater hat mich kujoniert, meine Mutter hatte keine Zeit für mich. Ich war ein Schlüsselkind und hatte in Mathe eine ›kaum noch Fünf‹.«
»Und trotzdem bist du Hauptkommissar und Leiter der Mordkommission geworden.« Jürgen Fedder schaute ein ganz klein bisschen beleidigt. »Soll ich nun weitermachen?«
»Aber ja.«
»Also: Der Typ ist nicht in der Lage, Konflikte zu bewältigen, er übt sich in Selbstmitleid, fühlt sich von der Gesellschaft benachteiligt, sucht die Schuld für sein vermeintliches Unglück stets bei anderen, obwohl er sich seinen sozialen Abstieg meist selbst zuzuschreiben hat. Er ist der ewige Verlierer.«
»Klingt fast nach Pennertum.«
»Ja, kann so enden. Es sind in jedem Fall verwahrloste Menschen. Körperlich wie seelisch. Dieses Psychogramm betrifft vor allem Wiederholungstäter.«
Danzik nahm langsam einen Schluck Kaffee. »Bei Ersttätern könnte sich also ein ganz anderes Bild ergeben?«
»Durchaus. Nehmen wir an, es handelt sich um Versicherungsbetrug. Oder um Vertuschungsmorde.
Das Opfer wird aus Habgier oder Eifersucht umgebracht, hinterher legt der Täter Feuer, damit der Mord nicht herauskommt.«
»Das sind dann auch wieder Männer, oder?«
»Ja, weil Männer auch Explosionen in Kauf nehmen. Oder denk an den Typ Amokläufer. Jemand hat ihm was angetan, und aus Rache lässt er das Haus in die Luft gehen.«
Danzik überlegte. »Hatten wir überhaupt mal den Fall einer Brandstifterin?«
»Ja, hatten wir. Der Fall Rita Blohm. Die 50-jährige hatte ihren Mann erdrosselt und dann mit Streichhölzern die Wohnung in Brand gesteckt. Der Mann hat sie gequält und geschlagen, die Frau hatte ein Martyrium hinter sich. Später in der Zelle hat sie sich dann erhängt.«
»Ja, grauenhaft, ich erinnere mich.«
»So, Werner, und hier die Fotos vom Brandort.« Jürgen Fedder fächerte einen Satz Bilder auf den Tisch. Sie zeigten die Ausbruchsstellen, Spuren und Beweismittel und das Ausmaß des Schadens, der durch verkohltes Holz, verschmorte Geräte und das Löschwasser entstanden war.
»Die Besitzer sind nicht zu beneiden.«
»Ja, ein Riesenärger. Ein Schaden von mindestens 100000 Euro, schätze ich mal.«
»Das muss die Versicherung bezahlen.« Danzik lehnte sich zurück. »Also Brandstiftung. Dann muss ich jetzt die Obduktion der Toten veranlassen. Vielleicht ist es ja wirklich ein Vertuschungsfall. Wer könnte denn ein Interesse haben, Amalie Mewes …«
»Ja, Werner, das ist dein Job. Ich will dann mal wieder. Viel Erfolg bei der neuen Verbrecherjagd!« Jürgen Fedder legte noch den Brandbericht auf den Tisch, dann schob er in seinem Seemannsgang hinaus.
Danzik sah ihm leise seufzend hinterher. Er verschränkte die Arme und holte
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