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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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drückte sich schmollend im Hof herum und sah zu, wie ihre aufgeregten Mitschüler den Bus für die Schulfahrt bestiegen. Sie hatte Will erzählt, sie habe keine Lust, stundenlang in einem Bus zu hocken, aber das hier war ein schnittiges, modernes Gefährt, nicht so eine verbeulte gelbe Klapperkiste, wie die meisten Schulen sie benutzten. Bruno streute noch Salz in die Wunde, als er den Kopf aus dem Fenster steckte und lauthals verkündete, was der Bus alles an Luxus zu bieten hatte.
    »He, Leute, hier drin gibt’s Fernseher! Und Kopfhörer! Und W LAN !«
    Jetzt kam Briana mit ihren Prinzessinnen aus dem Schulgebäude. Die Nasen in die Höhe gereckt, zogen sie ihre schicken Rollköfferchen in einer kleinen Prozession über das Pflaster. Als sie an Claire vorbeikamen, hörte sie eines der Mädchen halblaut murmeln: »Ciao, Nachtgespenst.«
    »Ciao, ihr Loser«, zischte Claire zurück.
    Briana fuhr herum. »Ich sage es hier und jetzt ganz laut und deutlich, damit es alle hören: Mein Zimmer ist abgeschlossen. Wenn ich feststelle, dass etwas fehlt, wenn ich zurückkomme – irgendetwas –, dann wissen wir alle, wer es war.«
    »Steig jetzt ein, Briana«, sagte Lily Saul mit einem Seufzer. Gemeinsam mit Ms. Duplessis war sie damit beschäftigt, ihre Schäfchen an Bord des Busses zu scheuchen. »Wir müssen allmählich los, wenn wir es bis Mittag schaffen wollen.«
    Briana bedachte Claire noch mit einem giftigen Blick und stieg in den Bus.
    »Ist alles okay, Claire?«, fragte Lily Saul sanft.
    Von allen Lehrern in Abendruh war ihr Ms. Saul die liebste, denn wenn sie einen ansah, hatte man das Gefühl, dass sie einen auch wirklich wahrnahm, dass man ihr nicht egal war. Und in diesem Moment konnte sie sicherlich nicht übersehen, dass es Claire, all ihren Beteuerungen des Gegenteils zum Trotz, verdammt viel ausmachte, hierbleiben zu müssen.
    »Es ist ja nur, weil du erst so kurze Zeit in Abendruh bist«, sagte Ms. Saul. »Bei unserem nächsten Ausflug darfst du sicher mitfahren. Und ist es nicht toll, dass ihr vier dieses Wochenende die ganze Schule für euch allein haben werdet?«
    »Doch, schon«, brummte Claire missmutig.
    »Mr. Roman hat die Heuballen für euch aufgestellt, falls du ein paar Pfeile schießen willst. Du wirst eine perfekte Bogenschützin sein, wenn wir zurückkommen.«
    Haben Sie keine Angst, dass ich wieder ein Huhn abmurkse? , dachte Claire, doch sie sagte nichts, als Ms. Saul einstieg und die Türen sich schlossen. Schon setzte der Bus sich in Bewegung und fuhr unter dem steinernen Torbogen hindurch. Hinter sich hörte Claire ein Bellen und sah ein schwarzes Fellbündel vorbeihuschen. Es war Julians Hund, der hinter dem Bus herjagte.
    »Bear!«, rief Claire. »Komm sofort her!«
    Der Hund ignorierte sie und rannte zum Hoftor hinaus. Claire lief ihm nach bis zum Seeufer, wo er plötzlich stehen blieb, die Nase in die Luft gereckt. Der Bus, der schon bald hinter der nächsten Kurve verschwunden war, schien ihn nicht mehr zu interessieren; stattdessen drehte er sich um und trabte in eine andere Richtung weiter.
    »Wo willst du denn hin?«, rief sie. Sie seufzte und folgte ihm um das Gebäude herum bis zu dem Pfad, der zum Hügelkamm hinaufführte. Schon suchte er sich seinen Weg zwischen Bäumen und Büschen hindurch und wurde immer schneller, sodass Claire Mühe hatte mitzukommen. »Bear, komm zurück !«, kommandierte sie. Und sah frustriert zu, wie er im Unterholz verschwand. Von wegen gehorsam – nicht mal einen Hund konnte sie dazu bringen, ihr ein wenig Respekt zu zeigen.
    Auf halbem Weg den Hang hinauf gab sie die Verfolgungsjagd auf und ließ sich auf einen großen Stein sinken. Von hier aus konnte sie gerade eben über das Dach der Schule hinwegsehen. Es war keine so atemberaubende Aussicht wie vom Versammlungsplatz der Schakale, aber es war auch nicht schlecht, zumal an diesem klaren Morgen, an dem der See im Sonnenschein glitzerte. Inzwischen war der Bus wohl schon zum Tor hinaus und auf dem Weg nach Quebec. Mittags würden sie in irgendeinem noblen französischen Restaurant essen – damit hatte Briana jedenfalls geprahlt –, anschließend würden sie das Quebec-Experience-Museum besuchen und mit einem Außenaufzug fahren, der eine Steilküste hinauffuhr.
    Und ich darf derweil auf diesem blöden Stein rumhocken.
    Sie brach ein Stück Flechte ab und warf es den Abhang hinunter. Ob Will und Teddy wohl schon mit dem Frühstück fertig waren? Vielleicht hatten sie Lust, ein bisschen mit ihr

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