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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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würden.«
    Dr. Owen wandte sich an Maura. »Sie können mir gerne morgen im Sektionssaal Gesellschaft leisten.«
    Maura stellte sich vor, wie dieser Leib aufgeschnitten wurde, voller Verwesung und übel riechender Gase. »Ich glaube, diesmal verzichte ich darauf«, sagte sie und richtete sich auf. »Ich wollte eigentlich Urlaub vom Tod nehmen. Aber wie es aussieht, findet er mich immer wieder.«
    Dr. Owen stand ebenfalls auf, und Maura registrierte mit Unbehagen ihren nachdenklichen Blick. »Was geht hier vor sich, Dr. Isles?«
    »Das wüsste ich auch gerne.«
    »Zuerst ein Selbstmord. Und jetzt das hier. Dabei kann ich Ihnen nicht einmal sagen, was das hier ist. Ein Unfall? Mord?«
    Mauras Blick fiel auf den Pfeil, der aus dem Auge des Toten ragte. »Das muss schon ein Meisterschütze gewesen sein.«
    »Nicht unbedingt«, sagte der Detective. »Das Zentrum der Zielscheibe beim Bogenschießen ist kleiner als eine menschliche Augenhöhle. Ein einigermaßen guter Bogenschütze trifft das aus dreißig oder auch fünfzig Metern, zumal mit einer Armbrust.« Er machte eine Pause. »Vorausgesetzt, er wollte dieses Ziel treffen.«
    »Sie meinen, es könnte ein Unfall gewesen sein«, sagte Dr. Owen.
    »Ich spiele nur verschiedene Szenarien durch«, entgegnete der Detective. »Nehmen wir einmal an, zwei Freunde gehen in diesem Wald ohne Genehmigung auf die Jagd. Der mit dem Bogen erspäht einen Hirsch, legt in seiner Aufregung überhastet an, schießt einen Pfeil ab – und schon liegt sein Kumpel tot am Boden. Dumm gelaufen. Der Typ mit dem Bogen kriegt die Panik und rennt weg. Er erzählt es niemandem, weil er weiß, dass sie das Land unerlaubt betreten haben. Oder er ist auf Bewährung. Oder er will einfach keinen Ärger.« Er zuckte mit den Achseln. »Denkbar wär’s, wenn Sie mich fragen.«
    »Wollen wir hoffen, dass es so oder so ähnlich abgelaufen ist«, sagte Maura. »Denn die Alternative gefällt mir gar nicht.«
    »Dass in diesem Wald ein gemeingefährlicher Bogenschütze rumläuft?«, sagte Dr. Owen. »Eine ziemlich beunruhigende Vorstellung, so nahe an einer Schule.«
    »Und was ich fast noch erschreckender finde: Wenn dieser Mann da nicht Hirsche gejagt hat, was hat er dann hier oben mit einem Scharfschützengewehr getan?«
    Niemand erwiderte etwas, doch die Antwort schien offensichtlich, als Maura in das Tal hinunterblickte. Wenn ich eine Scharfschützin wäre, dachte sie, dann würde ich mich hier auf die Lauer legen, wo ich durch das Unterholz getarnt wäre und einen freien Blick auf das Schloss, den Hof und die Straße hätte.
    Aber auf wen hatte er es abgesehen?
    Die Frage beschäftigte sie, als sie eine Stunde später den Pfad hinunterkletterte, über blanke Felsen, durch Sonne und Schatten und wieder Sonne. Sie dachte an einen Scharfschützen, der über ihr am Hang auf der Lauer lag, und sie stellte sich das Fadenkreuz seines Zielfernrohrs auf ihrem Rücken vor. Ein Gewehr mit einer Reichweite von achthundert Metern. Eine halbe Meile. Sie würde überhaupt nicht merken, dass jemand sie im Visier hatte und auf sie zielte. Bis sie die Kugel spürte.
    Endlich stolperte sie auf den Rasen hinter der Schule. Während sie stehen blieb, um sich Zweige und Blätter von den Kleidern zu zupfen, hörte sie streitende Männerstimmen. Sie kamen von der Försterhütte am Waldrand. Maura ging auf die Hütte zu und erblickte durch die offene Tür einen der Detectives, die sie oben am Fundort der Leiche getroffen hatte. Er stand zusammen mit Sansone und Mr. Roman nahe dem Eingang. Keiner der drei Männer nahm Notiz von ihr, als sie eintrat. Die Hütte war voll mit Werkzeug und Geräten für Waldarbeiten: Äxte, Seile, Schneeschuhe. Und an einer Wand hingen mindestens ein Dutzend Bogen sowie mit Pfeilen gefüllte Köcher.
    »An diesen Pfeilen ist nichts Besonderes«, sagte Roman. »Die können Sie in jedem gut sortierten Sportartikelgeschäft kaufen.«
    »Wer hat Zugang zu all diesen Geräten, Mr. Roman?«
    »Jeder Schüler. Das hier ist eine Schule, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen ist.«
    »Er ist seit Jahrzehnten unser Ausbilder fürs Bogenschießen«, sagte Sansone. »Das ist ein Sport, bei dem Disziplin und Konzentration geübt werden – wertvolle Fertigkeiten in allen Fächern.«
    »Und alle Schüler lernen Bogenschießen?«
    »Alle, die es wollen«, antwortete Roman.
    »Wenn Sie das schon seit Jahrzehnten unterrichten, müssen Sie ja sehr gut im Umgang mit Pfeil und Bogen sein«, sagte der Detective zu

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