Abendruh: Thriller (German Edition)
Claire Ward und Will Yablonski.«
Maura dachte eine Weile über diese letzte Information nach. Sie erinnerte sich an das Gespräch über die drei Kinder, das sie und Jane mit Anna in deren Büro geführt hatten, und über die Frage, ob es eine Verbindung zwischen den dreien gab. Anna hatte ihnen gesagt, es sei reiner Zufall und es lohne sich nicht, der Sache nachzugehen. Doch am Tag ihres Todes hatte sie die Akten ebendieser drei Kinder studiert.
Es war so still, dass Maura ihren eigenen Herzschlag hören konnte. Die Stille verstärkte das Geräusch der sich nähernden Schritte, und sie drehte sich um, als vier Gestalten aus dem Halbdunkel in den Schein der Lampe traten.
»Wir müssen mit Ihnen reden«, sagte Julian. Neben ihm standen drei andere Schüler. Die drei. Will, Teddy und Claire, das Trio, dessen Tragödien kein Ende zu nehmen schienen.
Obwohl es bereits auf elf Uhr zuging und diese Jugendlichen alle schon im Bett sein sollten, behandelte Sansone sie mit dem gleichen Respekt, den er einem Erwachsenen entgegenbringen würde. »Was beschäftigt dich, Julian?«, fragte er.
»Die Schakale hatten heute Morgen ein Treffen; es ging um Dr. Welliver«, antwortete der Junge. »Und diese drei Mitglieder haben in der Zwischenzeit eine Spur entdeckt. Wir brauchen allerdings Ihre Hilfe, um sie zu verfolgen.«
Maura seufzte. »Julian, ich weiß, dass du dich gerne nützlich machen willst, aber es ist schon spät, und Mr. Sansone und ich haben noch einiges zu …«
»Wir wollen unsere Akten sehen«, unterbrach sie Claire. »Wir wollen alles wissen, was die Polizei über uns und unsere Eltern weiß. Alle Berichte, die es gibt.«
»Ich habe diese Informationen nicht, Claire.«
»Aber Sie können sie bekommen, nicht wahr? Oder jedenfalls Detective Rizzoli.«
»Es handelt sich um eine laufende Ermittlung. Und das heißt, dass diese Informationen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.«
»Wir sind nicht die Öffentlichkeit«, wandte Claire ein. »Hier geht’s um uns, um unser Leben, und wir haben ein Recht darauf, es zu erfahren.«
»Ja, das habt ihr, wenn ihr etwas älter seid. Aber das sind offizielle Dokumente, und es gibt da Details, die ihr vielleicht nicht verstehen würdet.«
»Weil wir zu jung sind, um die Wahrheit zu ertragen? Das wollen Sie doch sagen, nicht wahr? Dass Dreizehnjährige mit so etwas nicht umgehen können. Es ist, als ob Sie überhaupt keine Ahnung hätten, wer wir sind oder was wir durchgemacht haben.«
»Ich weiß das sehr wohl, Claire«, sagte Maura ruhig. »Ich verstehe euch.«
»Was verstehen Sie? Sie hat eine Kugel in den Kopf bekommen? Das ist alles, was Sie über mich wissen, aber Sie haben keine Ahnung, was das eigentlich bedeutet. In einem Krankenhaus aufzuwachen und sich nicht erinnern zu können, wie Sie da hingekommen sind. Nicht zu wissen, dass Ihre Mutter und Ihr Vater tot sind. Zu ahnen, dass Sie nie wieder ein ganzes Buch lesen oder eine Nacht durchschlafen oder auch nur einen einzigen verdammten Gedanken festhalten können.« Sie presste die Hand an ihren Kopf. »Als sie mir dieses Loch in den Schädel geschossen haben, da haben sie auch mein ganzes Leben zerschossen. Ich werde nie so sein wie die anderen. Ich werde immer ein Freak sein. Also erzählen Sie mir nicht, dass Sie mich kennen oder irgendetwas über mich wissen.«
Sprachlos angesichts dieses Ausbruchs, starrten die Jungen sie verblüfft und vielleicht auch ein wenig bewundernd an.
»Es tut mir leid«, sagte Maura. »Du hast vollkommen recht, Claire. Ich weiß nicht, wie es ist.« Sie sah Will und Teddy an. »So, wie ich auch nicht wirklich weiß, wie euer Leben gewesen ist. Ich schneide Körper auf und sehe, was darin ist, aber mehr kann ich nicht tun. Ihr drei – nun ja, ihr müsst mir einfach sagen, was die Akten nicht verraten. Über euer Leben und darüber, wer ihr seid.«
»Wie Claire schon sagte, wir sind die Freaks«, sagte Will, und Teddy nickte betrübt. »Wir sind die, mit denen keiner was zu tun haben will. Es ist, als könnten sie alle spüren, dass wir Pechvögel sind, und sie wollen uns nicht zu nahe kommen, weil sie Angst haben, es könnte ansteckend sein.« Will ließ den Kopf hängen. »Und dann sind sie vielleicht irgendwann tot, wie Dr. Welliver.«
»Es gibt keine Beweise dafür, dass Dr. Wellivers Tod irgendetwas anderes als ein Selbstmord war.«
»Mag sein«, sagte Will, »aber an dem Tag, als sie starb, lagen unsere Akten auf ihrem Schreibtisch. Es ist, als hätte ein Fluch
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