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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sich an, als wäre ich ein Schäferhund.«
    »Und ehrlich.« Jane hielt inne. »Auch wenn es bedeutet, dass du deswegen Freunde verlierst.«
    Maura starrte in ihre Teetasse. »Für diese Sünde werde ich bis ans Ende meiner Tage bezahlen. Stimmt’s?«
    Einen Moment lang schwiegen sie beide; das einzige Geräusch war das Prasseln des Regens am Fenster und das Zischen der Flammen. Jane konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal zusammengesessen und sich in Ruhe unterhalten hatten, nur sie und Maura. Ihre Tasche war schon gepackt, und sie wurde an diesem Abend in Boston zurückerwartet, doch Jane machte keine Anstalten aufzubrechen. Stattdessen blieb sie im Sessel sitzen, denn sie wusste nicht, wann sich noch einmal eine solche Gelegenheit ergeben würde. Das Leben war allzu oft eine Aneinanderreihung von Unterbrechungen. Anrufe, Familienkrisen – immer störte irgendjemand, ob es im Leichenschauhaus oder an einem Tatort war. An diesem grauen Nachmittag klingelte kein Telefon, niemand klopfte an die Tür, und doch breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, lastete auf ihnen mit dem Gewicht all dessen, was in den vergangenen Wochen ungesagt geblieben war, seit Mauras Aussage vor Gericht einen Polizisten ins Gefängnis gebracht hatte. Einen solchen Verrat verziehen Bostons Freunde und Helfer nicht so schnell.
    Jetzt war jeder Tatorttermin ein Spießrutenlauf für Maura, jedes Mal musste sie das eisige Schweigen und die feindseligen Blicke ertragen, und die Belastung war ihr am Gesicht anzusehen. Im Schein des Feuers wirkten ihre Augen eingefallen, ihre Wangen hohl.
    »Graff war schuldig.« Mauras Finger schlossen sich fester um die Teetasse. »Ich würde meine Aussage jederzeit wiederholen.«
    »Natürlich würdest du das. Das ist nun mal deine Art – du musst immer die Wahrheit sagen.«
    »Du tust ja gerade so, als ob das eine schlechte Angewohnheit wäre. Eine Marotte.«
    »Nein, es erfordert Mut, die Wahrheit zu sagen. Ich hätte dir eine bessere Freundin sein sollen.«
    »Ich war mir nicht mehr sicher, ob wir überhaupt noch Freundinnen sind .« Maura starrte ins Feuer, als ob sie alle Antworten in diesen Flammen finden könnte. »Vielleicht sollte ich einfach hierbleiben. Als Einsiedlerin in die Wälder ziehen. Es ist so wunderschön hier. Ich könnte den Rest meines Lebens in Maine verbringen.«
    »Du hast doch dein Leben in Boston.«
    »Es ist ja nicht so, als ob Boston mich je ins Herz geschlossen hätte.«
    »Städte schließen einen auch nicht ins Herz. Das tun nur Menschen.«
    »Und es sind Menschen, die einen enttäuschen.« Maura sah ins Feuer und blinzelte.
    »Das kann einem überall passieren, Maura.«
    »Boston hat so etwas Hartes. Etwas Kaltes. Bevor ich dorthin gezogen bin, hatte ich schon von den unterkühlten Neuengländern gehört, aber ich hatte es nicht so recht geglaubt. Dann kam ich nach Boston, und ich hatte das Gefühl, erst eine Eisschicht abkratzen zu müssen, um überhaupt an die Leute heranzukommen.«
    »Auch bei mir?«
    Maura sah sie an. »Auch bei dir.«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass wir so eine Ausstrahlung haben. Tja, ist eben nicht das sonnige Kalifornien.«
    Wieder war Mauras Blick in die Flammen gerichtet. »Ich hätte nie von San Francisco weggehen sollen.«
    »Du hast doch jetzt Freunde in Boston. Du hast mich.«
    Ein Lächeln spielte um Mauras Mundwinkel. » Du würdest mir allerdings fehlen.«
    »Ist Boston wirklich das Problem? Oder ist es nicht doch ein ganz bestimmter Bostoner?«
    Sie mussten seinen Namen nicht aussprechen; beide dachten sofort an Daniel Brophy, den Mann, der sowohl Glück als auch Kummer in Mauras Leben gebracht hatte. Den Mann, der wahrscheinlich genauso sehr wie sie unter ihrer unbedachten Affäre gelitten hatte.
    »Immer, wenn ich denke, ich bin darüber hinweg«, sagte Maura, »immer, wenn ich denke, dass ich endlich aus meinem dunklen Loch wieder ans Licht gekrochen bin, sehe ich ihn an einem Tatort. Und dann reißt die Wunde gleich wieder auf.«
    »Es ist ja auch schwer, ihm aus dem Weg zu gehen – schließlich habt ihr beide mit gewaltsamen Todesfällen zu tun.«
    Maura lachte bitter. »Eine sehr gesunde Basis für eine Beziehung – Mord und Totschlag.«
    »Aber es ist aus zwischen euch, nicht wahr?«
    »Ja.« Maura machte eine Pause. »Und nein.«
    »Aber ihr seid nicht zusammen.«
    »Und ich kann sehen, wie sehr er darunter leidet. Der Kummer steht ihm ins Gesicht geschrieben.«
    Dir aber auch.
    »Und deswegen sollte ich wirklich aus

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