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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Blut aussah. Hoch in der Krone der Weide krächzten Krähen, und Janes Blick ging nach oben. Sie sah, was dort über ihrem Kopf hing, und wusste sofort, wo die Flecken herkamen. Verwesungsgeruch stieg ihr in die Nase, und sie prallte angewidert zurück, ohne den Blick von dem Kadaver zu wenden, der dort an dem hohen Ast hing.
    »Wer hat ihn gefunden?«, fragte Dr. Welliver.
    »Wir alle«, antwortete Roman. »Alle paar Tage gehe ich mit den Kindern diesen Weg entlang, um ihnen zu zeigen, wie der Wald sich verändert. Die Mädchen dort haben ihn als Erste entdeckt.« Er zeigte auf Briana und die beiden Schülerinnen, die offenbar nie von ihrer Seite wichen. »So ein hysterisches Gekreische hab ich noch nie gehört.« Er zückte ein Messer und durchschnitt das Seil, an dem der Kadaver aufgehängt war. Der tote Hahn plumpste auf die Erde. »Man könnte meinen, die hätten noch nie Huhn gegessen«, brummte er.
    »Das ist Herman«, murmelte einer der Jungen. »Jemand hat Herman getötet.«
    Nicht nur getötet, dachte Jane. Wer immer es war, hatte den Vogel aufgeschlitzt, seine Eingeweide herausgezogen und sie den Krähen zum Fraß präsentiert. Das war nicht einfach ein Dummejungenstreich, das war abscheulich und ekelhaft.
    Dr. Welliver sah in die Gesichter der Schüler, die fröstelnd dastanden, während die ersten Regentropfen vom Himmel fielen. »Weiß irgendjemand etwas darüber?«
    »Ich habe ihn heute Morgen nicht krähen hören«, sagte eines der Mädchen. »Herman weckt mich sonst immer auf. Aber nicht heute Morgen.«
    »Ich bin gestern Nachmittag noch hier entlanggegangen«, erklärte Roman. »Da hing er noch nicht da. Muss letzte Nacht passiert sein.«
    Janes Blick ging zu Claire. Die Nachtwandlerin. Plötzlich merkte das Mädchen, dass Jane sie ansah, und starrte trotzig zurück, als forderte sie die ganze Welt heraus, ihr doch zu beweisen, dass sie es gewesen war.
    Regentropfen klatschten auf Dr. Wellivers Kleid, als sie den Kreis von Schülerinnen und Schülern musterte, die Arme ausgebreitet, als wollte sie alle, die Trost brauchten, an ihre mütterliche Brust drücken. »Falls irgendjemand später mit mir darüber sprechen will – meine Tür ist immer offen. Ich verspreche euch, was immer ihr mir erzählt, bleibt unter uns. Also …« Sie seufzte und blickte zum Himmel auf. »Warum geht ihr nicht zurück ins Haus?«
    Während die Schüler die Lichtung verließen, blieben die Erwachsenen unter der Weide stehen. Erst als die Kinder außer Hörweite waren, sagte Dr. Welliver leise: »Das ist äußerst beunruhigend.«
    Maura kauerte vor dem geschlachteten Hahn nieder. »Sein Hals ist gebrochen. Das hat ihn vermutlich getötet. Aber ihn dann auszunehmen und ihn hier aufzuhängen, wo alle ihn sehen können …?« Sie sah zu Dr. Welliver auf. »Das muss etwas zu bedeuten haben.«
    »Es bedeutet, dass Sie hier ein ganz schön verdorbenes Früchtchen unter ihren Schülern haben«, sagte Jane. Sie blickte zu den drei Zweigpuppen auf. »Und was hat das zu bedeuten? Kleine gruselige Voodoopüppchen. Warum hat sie das getan?«
    »Sie?«, wiederholte Welliver.
    »Nun ja, Claire hat es geleugnet. Aber Kinder lügen ständig.«
    Dr. Welliver schüttelte den Kopf. »Diese Hirnverletzung hat sie impulsiv gemacht. Aber sie hat auch bewirkt, dass sie so gut wie unfähig zur Täuschung ist. Claire sagt genau das, was sie denkt, auch wenn es sie in Schwierigkeiten bringt. Sie hat es geleugnet, und ich glaube ihr.«
    »Aber wer von den Rotzbengeln war es dann?«, fragte Roman.
    Hinter ihnen ertönte eine Stimme: »Wieso glauben Sie, dass es ein Schüler war?«
    Sie drehten sich alle um und sahen Julian am Rand der Lichtung stehen. Er war so lautlos zurückgekommen, dass sie ihn nicht gehört hatten.
    »Sie gehen einfach davon aus, dass es einer von uns war«, sagte Julian. »Das ist nicht fair.«
    Dr. Pasquantonio lachte. »Sie glauben doch nicht, dass ein Lehrer so etwas tun würde?«
    »Wissen Sie noch, was Sie uns über Vermutungen gesagt haben, Sir? Dass jeder Esel Vermutungen anstellen kann?«
    »Julian«, mahnte Maura.
    »Aber das sagt er wirklich immer.«
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Mr. Perkins?«, fragte Pasquantonio.
    Julian straffte die Schultern. »Ich möchte Herman mitnehmen.«
    »Er ist schon halb verwest«, sagte Roman. Er hob ihn an dem Seil hoch und schleuderte ihn in den Wald. »Die Krähen waren schon an ihm dran; sollen sie auch den Rest von ihm haben.«
    »Kann ich dann wenigstens die Puppen

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