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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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waren, nahm Jane sich Zeit, ihre Mutter in Ruhe zu betrachten. Angelas Gesicht war noch von ihrem Wutausbruch gerötet, und mit diesen glühenden Wangen, dem Feuer, das in ihren Augen loderte, sah sie nicht aus wie das Eigentum irgendeines Mannes. Sie sah aus wie eine Frau, die sich mit Speer und Streitaxt in die Schlacht stürzen wollte, zornschnaubend und mit wallendem Haar. Aber noch während sie die drei Autos davonbrausen hörten, schien die Kriegerin in ihr dahinzuwelken, und zurück blieb eine müde Frau in mittleren Jahren, die auf ihrem Stuhl zusammensackte und den Kopf in den Händen vergrub.
    »Mom?«, sagte Jane.
    »Ich wollte doch nur eine zweite Chance. Noch einmal erleben, was Liebe ist, mich noch einmal lebendig fühlen.«
    »Wie meinst du das? Hast du dich denn vorher nicht lebendig gefühlt?«
    »Unsichtbar – so hab ich mich gefühlt. Jeden Abend, wenn ich deinem Vater das Abendessen hingestellt habe. Wenn ich zugesehen habe, wie er es ohne ein Wort des Danks oder der Anerkennung hinuntergeschlungen hat. Ich dachte, das wäre eben so, wenn man fünfunddreißig Jahre verheiratet ist. Woher sollte ich denn wissen, dass es auch anders sein kann? Ich war der Meinung, das war’s jetzt. Die Kinder sind erwachsen, ich habe ein Haus mit einem schönen Garten. Was soll ich mich da beklagen?«
    »Ich habe gar nicht gewusst, dass du unglücklich warst.«
    »Das war ich auch nicht. Ich war einfach nur …« Angela zuckte mit den Achseln. »Da. Habe geatmet. Du, du bist noch frisch verheiratet. Du und Gabriel, ihr wisst wahrscheinlich gar nicht, wovon ich rede, und ich hoffe, ihr werdet es nie erleben. Es ist ein furchtbares Gefühl, zu denken, dass man die besten Jahre seines Lebens schon hinter sich hat. So bin ich mir bei ihm vorgekommen.«
    »Aber du hast dich doch so aufgeregt, als er dich verlassen hat.«
    »Natürlich hab ich mich aufgeregt! Er hat mich wegen einer anderen verlassen!«
    »Also … hast du ihn gar nicht wirklich gewollt. Aber sie sollte ihn auch nicht haben.«
    »Wieso ist das so schwer zu verstehen?«
    Jane zuckte mit den Achseln. »Ich denke, ich hab es kapiert.«
    »Und jetzt ist sie diejenige, der es leidtut. Die Tussi.« Angela lachte höhnisch auf.
    »Ich glaube, es tut ihnen beiden leid. Darum will Dad wieder nach Hause kommen. Aber ich nehme an, dafür ist es ein bisschen zu spät.«
    Angelas Unterlippe zitterte, und sie senkte den Blick auf ihre Hände. Jahrzehnte des unermüdlichen Einsatzes am Herd hatten ihre Narben hinterlassen, Brandwunden von heißem Fett und kleine Schnitte von Küchenmessern. »Ich weiß es nicht«, murmelte sie.
    »Du hast mir doch gerade erzählt, wie unglücklich du warst.«
    »Das war ich auch. Und dann kam Vince daher, und ich habe mich wie neugeboren gefühlt. Wie eine junge Frau. Wir haben verrückte Sachen zusammen gemacht, Dinge, die mir früher nicht mal im Traum eingefallen wären. Mit einer Pistole schießen. Oder nackt baden.«
    »Schon gut, Mom.« Erspar mir die Details.
    »Er geht mit mir tanzen, Janie. Kannst du dich erinnern, wann dein Vater das letzte Mal mit mir tanzen war?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Und genau darum geht es.«
    »Okay.« Jane seufzte. »Dann packen wir’s jetzt an. Es ist deine Entscheidung, und egal wie sie ausfällt, ich werde dich unterstützen.« Auch wenn das bedeutete, für die Hochzeit in ein rosa Clownskostüm zu schlüpfen.
    »Das ist es ja eben, Janie. Ich kann mich nicht entscheiden.«
    »Du hast mir doch gerade erzählt, wie glücklich Vince dich macht.«
    »Aber Frankie hat vorhin das entscheidende Wort gesagt. Familie. « Angela blickte gequält zu ihr auf. »Das bedeutet doch etwas. All diese Jahre, die wir zusammen waren. Wir haben dich und deine Brüder heranwachsen sehen. Dein Vater und ich, wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, und das ist etwas, was ich nicht einfach so wegwerfen kann.«
    »Dann ist die Vergangenheit also wichtiger als das, was dich glücklich macht?«
    »Er ist dein Vater, Jane. Bedeutet dir das so wenig?«
    Jane schüttelte verwirrt den Kopf. »Das hat nichts mit mir zu tun. Hier geht es um dich und um das, was du willst.«
    »Aber was ist, wenn mir das, was ich will, Schuldgefühle bereitet? Was ist, wenn ich Vince heirate und dann den Rest meines Lebens bereue, dass ich unserer Familie keine zweite Chance gegeben habe? Frankie jedenfalls wird mir nie verzeihen. Und dann sind da Father Flanagan und die ganzen Leute in der Kirche. Und die Nachbarn …«
    »Vergiss die

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