Abendruh: Thriller (German Edition)
doch auf. Waren die Ackermans nicht genau wie all die anderen reichen Schweine? Haben Ihnen einen Hungerlohn gezahlt, während Sie auf den Knien rumgerutscht sind und die Toiletten geputzt haben?«
»Nein, sie haben mich gut behandelt.«
»Die hatten alles Geld der Welt, und schauen Sie sich dagegen an, Maria. Sie können mit Müh und Not Ihre Rechnungen bezahlen. Das ist so ungerecht. Sie haben Besseres verdient, finden Sie nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie denken sich das aus. Es ist nicht die Wahrheit.«
»Die Wahrheit ist, dass Andres in Kolumbien vorbestraft war. Wegen Drogenschmuggel und Einbruchdiebstahl.«
»Er hat nie jemandem etwas getan.«
»Es gibt immer ein erstes Mal. Muss doch verlockend sein, wenn man bei so reichen Leuten wie den Ackermans ein und aus geht. All die schönen Dinge, zum Greifen nah.« Er nahm einen Beweismittelbeutel aus der Schachtel, die er in den Vernehmungsraum mitgebracht hatte. »Die haben wir in Ihrer Wohnung gefunden, Maria. Hübsche Perlenohrringe. Wie können Sie sich so etwas leisten?«
»Mrs. Ackerman, sie hat sie mir geschenkt. Zu Weihnachten.«
»Sie hat sie Ihnen geschenkt ? Aber klar doch.«
»Aber es stimmt .«
»Die sind rund fünfhundert Dollar wert. Ganz hübsche Weihnachtsgratifikation.«
»Sie wollte sie nicht mehr. Hat gesagt, ich kann sie haben.«
»Oder hatte sie plötzlich herausgefunden, dass Sie sie gestohlen hatten? Vielleicht musste Andres sie deswegen töten. Um sie zum Schweigen zu bringen, damit Sie nicht im Gefängnis landeten.«
Maria hob den Kopf. Ihre Augen waren verquollen und feucht, ihre Wangen vor Zorn gerötet. »Sie sind ein Teufel !«
»Ich versuche nur, für Sicherheit in dieser Stadt zu sorgen.«
»Und dafür erfinden Sie Lügen? Sie kennen mich nicht. Sie kennen Andres nicht.«
»Ich weiß, dass er ein Krimineller war. Ich weiß, dass er vor uns davongelaufen ist. Das verrät mir, dass er schuldig war.«
»Er hatte Angst .«
»Wovor?«
»Kolumbien. Er konnte nicht zurück nach Kolumbien. Dort hätten sie ihn umgebracht.«
»Also ist er stattdessen lieber hier gestorben?«
Maria vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Er wollte leben«, schluchzte sie. »Er wollte nur in Ruhe gelassen werden.«
»Sagen Sie uns die Wahrheit, Maria.«
»Das ist die Wahrheit.«
»Sagen Sie die Wahrheit, oder …« Crowe hielt inne, als er Moores Hand an seiner Schulter spürte. Keine Worte wurden zwischen den beiden Männern gewechselt, doch Jane registrierte die Blicke, die zwischen ihnen hin und her gingen. Sie sah, wie Moore missbilligend den Kopf schüttelte, wie Crowe ihn daraufhin wütend anstarrte.
Abrupt richtete Crowe sich auf. »Denken Sie darüber nach, Maria«, sagte er und verließ das Vernehmungszimmer.
»Mann«, murmelte Frost an Janes Seite. »Der führt sich ja auf wie ein Gorilla auf Anabolika.«
Durch den Einwegspiegel beobachtete Jane, wie Moore mit Maria am Tisch saß. Keine tröstende Berührung kam von ihm, keine aufmunternden Worte, während die Frau leise vor sich hin schluchzte und die Arme fest vor der Brust verschränkte, wie um sich am Zittern zu hindern.
»Wir haben einfach nicht genug Beweise«, sagte Jane.
»Und was ist mit den Fingerabdrücken an der Küchentür?«, meinte Frost. »Und der Tatsache, dass er vor uns davongelaufen ist?«
»Jetzt mach mal halblang. Du hörst dich schon an wie Crowe.«
»Und diese Ohrringe. Welche Frau macht ihrer Haushälterin ein so kostbares Geschenk?«
»Vielleicht stimmt es ja. Vielleicht war Mrs. Ackerman wirklich so großzügig. Wir können nicht das Gegenteil beweisen. Und denk mal an das Haus – all die Sachen, die Zapata hätte mitnehmen können, wenn es wirklich ein Raubüberfall gewesen wäre. Sogar die Schmuckschatulle war noch da.«
»Irgendetwas hat ihn erschreckt. Und er ist weggelaufen, ehe er irgendetwas einsacken konnte.«
»Klingt das etwa plausibel? Das muss dich doch auch stören. Mich stört es jedenfalls gewaltig.«
Im Raum nebenan erhob sich Maria schwerfällig, gestützt von Moore. Während er die Haushälterin hinausführte, sagte Jane leise: »Moore stört es auch.«
»Das Dumme ist, dass du sonst nichts vorzuweisen hast. Nur dieses ungute Gefühl.«
Das reichte natürlich nicht, und doch konnte Jane es nicht einfach ignorieren. Dieses ungute Gefühl, das war ihr Unterbewusstsein, das ihr sagte: Du hast etwas Entscheidendes übersehen, ein wesentliches Detail, das die Ermittlung in eine völlig andere Richtung lenken
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