Abendruh: Thriller (German Edition)
schweren Katalog heraus, den sie vor ihnen auf den Tisch knallte. »Das hier ist nur unsere Außenstelle für den Vertrieb. Der Katalog zeigt unsere umfangreiche Produktpalette. Ausgeliefert wird die Ware aus Lagern in Oakland, Atlanta, Frankfurt, Singapur und verschiedenen anderen Standorten.«
Jane blätterte in dem Katalog und sah Krankenhausbetten und Rollstühle, Toilettenstühle und Rolltragen. Eine Hochglanzbroschüre mit all den Dingen, von denen sie hoffte, dass sie sie nie brauchen würde. »Mrs. Yablonski war also viel unterwegs?«
»Wie alle unsere Vertriebsmitarbeiter. Hier in diesem Büro laufen sämtliche Fäden zusammen, und ich bemühe mich, alles unter Kontrolle zu halten.«
»Sie gehen selbst nicht auf Vertreterreisen?«
»Irgendjemand muss ja die Stellung halten.« Carole blickte sich in dem Raum mit dem beigefarbenen Teppichboden und den künstlichen Palmen um. »Aber manchmal wird mir hier drin schon ein bisschen klaustrophobisch zumute. Ich sollte den Laden vielleicht ein wenig aufmöbeln, finden Sie nicht? Vielleicht ein paar Reiseplakate aufhängen. Wäre doch nicht schlecht, zur Abwechslung mal auf einen tropischen Strand zu schauen.«
»Sind Ihre Vertriebsmitarbeiter bei ihren Reisen immer allein, oder reisen sie gemeinsam?«, fragte Frost.
Carole sah ihn verwirrt an. »Wieso fragen Sie?«
»Ich habe nur überlegt, ob Olivia vielleicht mit einem ihrer Kollegen besonders eng befreundet war.«
»Unsere fünf Vertreter reisen allein. Und nein, es gab keine unangemessenen Freundschaften in dieser Firma. Ich bitte Sie, wir reden hier über Olivia. Eine glücklich verheiratete Frau mit einem Sohn. Ich habe ab und zu auf Will aufgepasst, und man erfährt eine Menge über Menschen, wenn man sich einfach nur die Kinder anschaut, die sie großziehen. Will ist ein prächtiger Junge, ausgesprochen höflich und wohlerzogen. Besessen von Astronomie, genau wie sein verstorbener Vater. Ich danke einfach nur Gott, dass er an diesem Tag nicht an Bord ihres Flugzeugs war. Der Gedanke, dass die ganze Familie ausgelöscht worden wäre …«
»Was ist mit Wills Tante und Onkel, den Temples? Haben Sie die beiden auch gekannt?«
»Nein, leider nicht. Ich habe gehört, dass sie Will zu sich genommen haben und weggezogen sind, wahrscheinlich, um all die traurigen Erinnerungen hinter sich zu lassen. Und dem Jungen einen Neuanfang zu ermöglichen.«
»Sie wissen doch, dass Lynn und Brian Temple tot sind?«
Carole starrte sie an. »O Gott, nein. Wie ist das passiert?«
»Ihr Bauernhaus in New Hampshire ist niedergebrannt. Will war zu der Zeit nicht im Haus, und so ist er davongekommen.«
»Geht es ihm gut? Ist er bei anderen Verwandten untergebracht?«
»Er ist an einem sicheren Ort.« Mehr wollte Jane nicht preisgeben.
Sichtlich geschockt von der Nachricht, ließ Carole sich auf ihren Stuhl sinken und murmelte: »Die arme Olivia. Sie wird ihn nie heranwachsen sehen. Wissen Sie, sie war acht Jahre jünger als ich, und ich hätte nie gedacht, dass ich sie mal überleben würde.« Carole ließ den Blick durch das Büro schweifen, als sähe sie es zum ersten Mal wirklich. »Jetzt sind zwei Jahre vergangen, und was habe ich aus der Zeit gemacht, die mir geschenkt wurde? Hier sitze ich immer noch am selben Ort, und ich habe rein gar nichts verändert. Nicht einmal diese albernen künstlichen Palmen habe ich rausgeschmissen.«
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Carole atmete tief durch und rang sich ein Lächeln ab, während sie sich mit munterer Stimme meldete. »Oh, hallo, Mr. Damrosch, wie schön, mal wieder von Ihnen zu hören! Ja, selbstverständlich können wir diese Bestellung für Sie erneuern. Geht es nur um den einen Artikel, oder möchten Sie noch etwas anderes bestellen?« Sie griff nach einem Kuli und begann, sich Notizen zu machen.
Jane hatte kein Interesse an einem Gespräch über Krücken und Rollatoren, und sie erhob sich von ihrem Stuhl.
»Verzeihung, Mr. Damrosch, würden Sie einen Moment in der Leitung bleiben?« Carole legte die hohle Hand über die Sprechmuschel und sah Jane an. »Entschuldigen Sie bitte. Hatten Sie sonst noch irgendwelche Fragen?«
Jane sah den Hochglanzkatalog auf dem Schreibtisch an. Sie dachte an Olivia Yablonski, die diesen schweren Wälzer von Stadt zu Stadt, von Termin zu Termin geschleppt hatte, um Rollstühle und Bettpfannen zu verkaufen. »Wir haben keine weiteren Fragen«, sagte sie. »Ich danke Ihnen.«
Detective Parris sah aus wie ein Mann,
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