Abendruh: Thriller (German Edition)
zu solchen wirbelnden Scheiben aus Gas und Staub um einen jungen Stern herum.«
»Und darüber haben sie sich gestritten?«, fragte Jane.
»He, wir streiten uns hier über alles Mögliche. Das ist ja gerade das Faszinierende an der wissenschaftlichen Arbeit. Ja, manchmal werden die Debatten persönlich, aber damit können wir hier umgehen. Wir sind ja alle große Jungs.« Er blickte auf seinen Bauch hinunter und fügte mit einem ironischen Seufzer hinzu: »Und manche von uns sind auch ziemlich schwere Jungs.«
»Worüber kann man sich denn bei einem Thema wie Staubscheiben in die Haare kriegen?«, fragte Jane.
»Trümmerscheiben. Es gibt heftige Kontroversen darüber, wie aus diesen Ringen aus Staub und Gas Sonnensysteme mit Planeten werden. Manche sagen, die Planeten bilden sich als Folge wiederholter Kollisionen, aber die Frage ist, was diese Trümmerpartikel eigentlich zusammenhält. Wie kommt es zur Akkumulation von Masse? Wie macht man aus einem Haufen umherwirbelnder Partikel einen Merkur, eine Venus und eine Erde? Das ist eine Frage, die wir noch nicht beantworten können. Wir wissen, dass unser Sonnensystem nicht das einzige ist. Es gibt zahllose Planeten allein in dieser Galaxis, und viele davon befinden sich in der habitablen Zone.«
Frost, der ebenso gut einen Aufkleber mit der Aufschrift Trekkie auf der Stirn hätte tragen können, rutschte plötzlich interessiert auf seinem Stuhl vor. »Sie meinen, wir könnten sie besiedeln?«
»Vielleicht. Habitable Zone bedeutet, dass Leben in irgendeiner Form dort existieren könnte. Zumindest das kohlenstoffbasierte Leben, wie wir es kennen. Aufgrund der Daten der Kepler-Mission konnten wir eine Reihe sogenannter ›Goldilocks-Planeten‹ identifizieren. Dort sind die Temperaturen weder zu heiß noch zu kalt, sondern genau richtig. Das ist übrigens der Grund, warum Neil und Brian nach Rom reisen wollten. Sie sollten ihre Daten dem Team des Vatikanischen Observatoriums präsentieren.«
Frost lachte verblüfft auf. »Der Vatikan hat ein Observatorium?«
»Sogar ein recht angesehenes; es gehört zur Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.« Er bemerkte Frosts skeptischen Blick. »Ja, ich weiß, es klingt seltsam, dass dies die gleiche Kirche ist, die Galileo angegriffen hat, weil er glaubte, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Aber an dieser Akademie arbeiten einige hervorragende Astronomen. Sie waren sehr begierig darauf, einen Blick auf Neils und Brians jüngste Forschungsarbeiten zu werfen, weil sie sehr weitreichende Konsequenzen haben könnten. Ganz bestimmt für den Vatikan.«
»Warum sollte diese Forschung die katholische Kirche interessieren?«, fragte Jane.
»Weil wir hier von Astrobiologie reden, Detective Rizzoli. Der Suche nach Leben im Universum. Denken Sie einmal darüber nach. Was bedeutet es für die überkommene Vorstellung von unserem Platz im Universum, wenn wir Leben auf einem anderen Planeten entdecken? Was wird dann aus dem Konzept der göttlichen Schöpfung, aus dem ›Es werde Licht‹? Es stellt die Lieblingsüberzeugung der Menschheit auf den Kopf, nämlich die von unserer Einzigartigkeit. Es könnte die tragende Säule der Kirche zum Einsturz bringen: den Glauben, dass wir von Gott geschaffen sind.«
»Zum Einsturz bringen? Hatten Yablonski und Temple tatsächlich Daten, die dazu geeignet wären?«
»Also, von Beweisen würde ich vielleicht nicht direkt reden.«
»Und die beiden haben Sie in ihre Erkenntnisse eingeweiht?«
»Ich habe ihre vorläufige Analyse der Daten von Infrarot- und Radioteleskopen gesehen. Sie kamen von einem der Goldilocks-Planeten, von denen ich Ihnen erzählt habe. Es gab dort Kohlendioxid, Wasser, Ozon und Stickstoff. Nicht nur die Bausteine des Lebens, sondern auch Moleküle, die darauf hindeuten, dass Fotosynthese stattfindet.«
»Was pflanzliches Leben bedeutet«, sagte Frost.
Bartusek nickte. »Das war die naheliegende Schlussfolgerung.«
»Wieso haben wir noch nichts davon gehört?«, fragte Frost. »Wo war die Pressekonferenz, die feierliche Verlautbarung des Weißen Hauses?«
»Sie können nicht einfach hergehen und so etwas verkünden, solange Sie sich nicht absolut sicher sind, sonst stehen Sie da wie ein Idiot. Sie wissen, dass man Sie angreifen wird. Sie wissen, dass Sie Spinner jeglicher Couleur am Hals haben werden. Wir würden Notfallpläne brauchen, um mit den kranken Fanatikern fertigzuwerden, die ihre mit Sprengstoff beladenen Lkws in unsere Gebäude steuern würden.« Er
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