Abendstern - Roman
nehmen, Mr Hawkins.«
»Cal.« Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie. Dann wies er auf die Tür. »Kommen Sie, wir gehen besser aus dem Wind.«
Sie betraten ein Wohnzimmer, das männlich, aber behaglich zugleich war. Das großzügige Sofa und die Sessel vor der großen Fensterfront luden zum Sitzen ein. Tische und Lampen waren wahrscheinlich nicht antik, sahen aber so aus, als stammten sie aus Familienbesitz.
Es gab sogar einen kleinen steinernen Kamin mit einem dazugehörigen Hund, der davor schlief.
»Geben Sie mir Ihren Mantel.«
»Liegt Ihr Hund im Koma?«, fragte Quinn, weil das Tier sich nicht rührte.
»Nein. Lump hat ein aktives, anstrengendes Innenleben, das lange Perioden der Ruhe erfordert.«
»Ah, ich verstehe.«
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Ja, das wäre wunderbar. Und darf ich Ihre Toilette benutzen? Es war eine lange Fahrt.«
»Die erste Tür rechts.«
»Danke.«
Sie trat in eine kleine, makellos saubere Gästetoilette.
»Okay, Quinn«, flüsterte sie. »Jetzt geht es los.«
4
Er hatte ihre Bücher gelesen; er hatte ihre Autorenfotos studiert, sie gegoogelt. Cal war nicht der Typ, der mit jedem beliebigen Journalisten oder Reporter über Hollow und sich selbst redete.
Er hatte ihre Bücher und Artikel unterhaltsam gefunden. Offensichtlich mochte sie Kleinstädte, und ihm hatte ihr Interesse an Legenden und unheimlichen Vorfällen gefallen.
Ihm hatte auch die Tatsache gefallen, dass sie immer noch gelegentlich für das Magazin schrieb, bei dem sie sich ihr Studium verdient hatte. Das war ein Zeichen von Loyalität.
Auf dem Autorenfoto sah sie spektakulär aus, mit langen honigblonden Haaren, strahlend blauen Augen und einem ganz leichten, absolut niedlichen Überbiss.
Aber die Wirklichkeit übertraf das Foto.
Nein, eigentlich schön war sie nicht, dachte er jetzt, während er ihr Kaffee einschenkte. Er musste sie sich noch einmal genauer anschauen. Aber eins war ihm jetzt schon klar: Sie strahlte Energie und Sex aus.
Vielleicht lag das an ihrer Figur, die auf dem Foto auch nicht so deutlich herausgekommen war. Die Lady hatte hervorragende Kurven.
Aber es war ja schließlich nicht so, als ob er noch nie eine Frau mit einer tollen Figur gesehen hätte, bekleidet oder unbekleidet. Warum stand er jetzt eigentlich hier in seiner Küche und konnte auf einmal keinen klaren Gedanken mehr fassen, bloß weil eine attraktive, voll bekleidete Frau in sein Haus gekommen war? Wohlgemerkt aus professionellen Gründen.
»Himmel, werd endlich erwachsen, Hawkins!«
»Wie bitte?«
Er zuckte zusammen. Sie stand hinter ihm und lächelte ihr strahlendes Lächeln.
»Haben Sie mit sich selbst geredet? Das mache ich auch. Die meisten Leute halten einen dann für verrückt.«
»Weil sie lieber wollen, dass wir mit ihnen reden.«
»Ja, das stimmt wahrscheinlich.« Quinn schob ihre langen blonden Haare zurück.
Cal sah, dass er recht hatte. Sie war nicht schön. Die Oberlippe war ein wenig zu üppig, die Nase leicht schief und die Augen viel zu groß. Aber hübsch traf es auch nicht, genauso wenig wie süß.
Ihm fiel nur heiß ein, aber dann kam er bloß wieder auf dumme Gedanken.
»Ich habe Sie gar nicht gefragt, wie Sie Ihren Kaffee trinken.«
»Oh. Mit einem Schuss Milch, bitte. Haben Sie fettarme?«
»Nein, wozu soll das gut sein?«
Sie lachte und trat an die Glasfront, die - wie sie angenommen hatte - auf die rückwärtige Terrasse hinausführte. »Wahrscheinlich haben sie dann auch keinen Süßstoff? Diese kleinen rosa, blauen oder gelben Döschen?«
»Getroffen. Ich könnte Ihnen richtige Milch und richtigen Zucker anbieten.«
»Das könnten Sie.« Sie war doch schließlich auch brav gewesen und hatte einen Apfel gegessen, oder? »Und ich könnte annehmen. Darf ich Ihnen noch eine neugierige Frage stellen? Ist Ihr Haus immer so sauber und aufgeräumt, oder haben Sie das extra meinetwegen gemacht?«
Er holte die Milch aus dem Kühlschrank. »Aufgeräumt ist ein Mädchenwort. Ich ziehe organisiert vor. Außerdem …« Er reichte ihr einen Kaffeelöffel für den Zucker. »… außerdem könnte jederzeit meine Mutter unangemeldet vorbeikommen. Und wenn es dann hier nicht sauber wäre, bekäme ich Ärger.«
»Wenn ich meine Mutter nicht einmal in der Woche anrufe, befürchtet sie, der Axtmörder hätte mich in Stücke gehackt.« Quinn gab einen Löffel Zucker in ihren Kaffee. »Nett, oder? Diese lang anhaltenden, elastischen familiären Bindungen.«
»Ich finde das schön. Sollen
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