Abendstern - Roman
ihm, sondern an New York, dachte er. Wenn er dort leben würde, wäre er sicher auch nicht entspannt.
»Hast du ein Problem?«, fragte er.
Auf einmal standen auch in ihren Augen Tränen, am liebsten wäre Fox weggerannt.
»Problem? Wie könnte ich ein Problem haben? Ich lebe in einem fremden Haus in einer fremden Stadt, sehe Dinge, die es nicht gibt - oder, schlimmer noch, die es gibt und die mich umbringen wollen. Mein ganzes Hab und Gut befindet sich in meiner Wohnung in New York, für die ich bezahlen muss, und meine sehr verständnisvolle und geduldige Chefin hat heute Morgen angerufen, um mir bedauernd mitzuteilen, dass sie meine Stelle besetzen muss, wenn ich nächste Woche nicht zurückkomme. Und weißt du, was ich getan habe?«
»Nein.«
»Ich habe begonnen zu packen. Es tut mir leid, es tut mir wirklich leid, aber ich muss mein Leben führen. Ich habe Verpflichtungen, Rechnungen, die ich bezahlen muss, und einen Alltag, den ich bewältigen muss. Ich muss zurück.« Sie umschlang sich selbst mit den Armen, als ob sie sich festhalten müsste. »Aber ich konnte
nicht weiterpacken. Ich konnte es einfach nicht. Jetzt werde ich meinen Job verlieren, was bedeutet, dass ich mir meine Wohnung nicht mehr leisten kann. Ich werde von der Fürsorge abhängig, und mein Vermieter wird mich verklagen. Und du fragst, ob ich Probleme habe? Nein, keineswegs.«
Er hatte sie nicht unterbrochen. Jetzt nickte er. »Ja, das war eine blöde Frage. Hier.« Er drückte ihr die Blumen in den Arm.
»Was?«
»Du siehst so aus, als ob du sie brauchen könntest.«
Fassungslos starrte sie ihn an. »Aber … aber …«, stammelte sie. »Du hast sie doch für jemand anderen gekauft.«
»Ich kann ja noch mal welche kaufen.« Er wies mit dem Daumen auf den Blumenladen. »Wenn du mir die nötigen Informationen gibst, kann ich dir mit deinem Vermieter helfen. Und um alles andere kümmern wir uns auch. Vielleicht hat ja irgendetwas dich gedrängt, hierherzukommen und hierzubleiben, aber im Grunde genommen ist es deine Entscheidung, Layla. Wenn du wirklich gehen willst …« Er musste wieder an Alice denken, und langsam ließ seine Frustration nach. »Niemand macht dir einen Vorwurf. Aber wenn du bleibst, dann musst du dich auch einbringen.«
»Ich habe …«
»Nein, das stimmt nicht.« Geistesabwesend schob er den Riemen ihrer Tasche, der heruntergeglitten war, wieder auf ihre Schulter. »Du suchst immer noch nach dem Schlupfloch, das es dir ermöglicht, deine Koffer zu packen und zu verschwinden, ohne dass es Konsequenzen
hat. Das kann ich gut verstehen, aber wenn du hier bleibst, dann musst du auch mitmachen. Wir reden später noch mal darüber. Ich muss jetzt weiter.«
Er ging wieder in den Blumenladen und ließ sie sprachlos auf dem Bürgersteig zurück.
»Ich bin wieder da«, rief Layla in den ersten Stock zu Quinn hinauf, als sie das Haus betrat. Mit den Blumen und den Einkäufen, die sie auf dem Heimweg erledigt hatte, ging sie in die Küche.
»Ich brauche dringend einen Kaffee.« Quinn kam in die Küche gestürmt und hielt inne, als sie den Strauß Blumen sah, den Layla auf verschiedene leere Flaschen und Gefäße aufteilte. »Hey, hübsch.«
»Ja, das sind sie. Ich muss mit dir reden, Quinn.«
»Ich auch mit dir. Du zuerst.«
»Ich wollte heute früh abreisen.«
Quinn, die sich gerade Kaffee einschenkte, blickte auf. »Oh.«
»Eigentlich wollte ich weg sein, bevor du nach Hause kommst und es mir ausredest. Es tut mir leid.«
»Okay. Ist schon okay. Ich würde mir auch aus dem Weg gehen, wenn ich etwas vorhätte, das ich nicht will. Und warum bist du nicht gegangen?«
Layla erzählte ihr von dem Telefonat mit ihrer Chefin.
»Oh, das tut mir leid. Es ist so unfair. Nein, natürlich, deine Chefin kann nichts dafür, sie muss ihr Geschäft führen. Aber die ganze Angelegenheit ist so unfair.« Quinn beobachtete, wie Layla die Blumen arrangierte. »Bei mir ist es ja okay, weil das sowieso mein Job
ist. Ich kann es mir leisten, hier zu sein. Wenn ich dir helfen kann …«
»Nein, darum geht es nicht. Ich will nicht, dass du mir Geld leihst oder meine Ausgaben mitträgst. Wenn ich bleibe, dann deshalb, weil ich es so will.« Layla betrachtete die Blumen und dachte an Fox’ Worte. »Ich glaube, das habe ich bis heute nicht akzeptiert oder wollte es nicht akzeptieren. Für mich war es leichter, mir vorzustellen, dass mich etwas hierher getrieben hat und ich gezwungen würde hierzubleiben. Aber jetzt bleibe ich, weil
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