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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Luftvorholer zerschlagen. Ein Splitter mochte Schmiedling getötet haben. Dora war von einer Splitterbombe getroffen worden, von der Bedienung waren zwei Luftwaffenhelfer gefallen und fünf verletzt. Auf der B 2 war Nadler gefallen.
     
    Am Nachmittag ging der Hauptmann mit Gottesknecht durch die Stuben. Ziesche lag auf seinem Bett, noch immer mit zitternden Gliedern. Kutschera stieß die Tür auf, winkte ab und fragte: »Wie geht’s?« Sein Blick fiel auf Ziesche, der apathisch auf dem Strohsack lag. »Wie sehn Sie denn aus, Mensch?« Gottesknecht flüsterte ein paar Worte, Kutschera fragte: »Wolln Sie ins Revier?« Ziesche schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Hauptmann.« Kutschera nickte befriedigt. Sein Blick fiel auf Holt: »Habt ihr Banditen dem Ziesche nicht eher helfen können?« – »Herr Hauptmann«, sagte Holt, »ich hab das alles erst hinterher gemerkt. Wir sind zu Berta, an was anderes hat keiner gedacht!« Wieder nickte Kutschera. »Na, Wolzow, aber ehrlich: War’s schlimm?« Wolzow legte den Kopf auf die Seite und sah den Hauptmann an: »Herr Hauptmann! Da gehören ein paar Zweizentimeter-Kanonen in die Stellung! Das Nahfeuer hat doch bloß eine moralische Wirkung!« – »Klugscheißen kann jeder«, sagte der Hauptmann undlangte nach dem Türgriff. Gottesknecht sagte: »Ich schick nachher den UvD durch, zur Leitungsprobe, der Fernsprech-Bautrupp ist schon da.« Kutschera, schon in der Tür, wendete noch einmal den Kopf. »Hat jemand ’n Wunsch?« – »Waaas?« rief Vetter. »Na, Herr Hauptmann, auf das Gemetzel wär eigentlich eine Flasche Schnaps fällig, und der Küchenbulle könnte mal wieder eine Büchse Rindfleisch rausrücken!« – »Mensch«, rief Kutschera, »nischt als Fressen und Saufen im Sinn!«
    Holt legte sich auf sein Bett. Er schloß die Augen. Es ist vorbei, mag es wiederkommen, es war weniger schlimm, als ich fürchtete. Ich hatte keine Zeit, Angst zu haben. Es ist wohl auch keine Zeit, Schmerz zu empfinden, wenn es trifft … Schmiedling hat ein rasches Ende gehabt. Aber dann schauderte ihn bei dem Gedanken, hilflos zu liegen wie Ziesche, den Blick zum Himmel gerichtet, wo die Jagdbomber entlangrasen … das muß furchtbar sein!
    Der Sanitäter brachte Ziesche ein Schlafmittel. Kaum war er gegangen, warf Ziesche die Tabletten zum Fenster hinaus. »Richtig«, sagte Wolzow.
    Holt dachte: Der Tiefangriff war schlimmer als die Bomben damals, als Fritz starb. Zemtzki, Nadler … nun sind es schon zwei aus der Klasse. Und Schmiedling.
    Schmiedling, dachte Holt. Da hat er nun solche Angst vor der Front gehabt, und hier, in der Heimat, erschlägt es ihn. Vielleicht wäre er draußen am Leben geblieben. Oder sollte er fallen? War es ihm bestimmt? Wieder dachte er: Schicksal, Vorsehung … Ist alles Zufall? Schmiedling war mir immer sehr fremd, ein Mensch aus einer anderen Welt. Was für eine Welt ist das?
    Der UvD riß die Tür auf. »Leitungsprobe, dalli!« Holt ging mit Wolzow und Vetter zu Berta. Eine Zugmaschine würgte Anton aus dem Geschützstand. Ein Kommando Gefangener schaufelte die Trichter zu, arbeitete an dem verwüsteten Geschützstand, besserte die Lattenroste aus und räumte den Schutt der verbrannten Baracken fort. Wolzow begann Munition zu reinigen. »Der Hülsenklemmer war nämlich überflüssig«, erklärte Vetter. Holt blickte von der Arbeit auf. Vetter war nicht mehr das dicke, weinendeKerlchen, das sich ewig zurückgesetzt fühlte. Vetter war groß und stark geworden, roh und draufgängerisch.
    Kutschera ließ tatsächlich Schnaps verteilen und auch »Rindfleisch im eigenen Saft«. Wolzow öffnete eine Flasche und hielt sie Ziesche hin. »Heute«, sagte er, »bist du zuerst dran. Wenn du nicht immer so dußlig quatschen würdest, könnten wir zwei die besten Freunde sein.« Ziesche lächelte und trank. Wolzow hob ihm den Arm samt Flasche: »Bißchen mehr, Mensch!« Ziesche verschluckte sich, der Schnaps lief ihm übers Gesicht und in den Halsausschnitt. »Du bist mir ein schöner Germane«, spottete Wolzow, »kannst nicht mal saufen!« Er gab die Flasche weiter. Holt fühlte den Alkohol brennend in der Kehle. Ein Schauer lief über den Rücken. Dann breitete sich wohlige Wärme in ihm aus, Klarheit und Zufriedenheit. Das Leben ist
doch
schön! Das Leben ist gefährlich, aber es lohnt sich. Und jetzt ruf ich Gertie an, dachte er.
    Im Keller der B 2, der nun provisorisch als Schreibstube diente, saß Gottesknecht und las den »Völkischen Beobachter«. Holt wählte

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