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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Ruhe.
    »Das geht so weiter«, sagte Gomulka zu Holt. »Das wird nicht besser, das nimmt kein Ende.« Holt antwortete nicht.
     
    14
     
    Sie hausten zu viert in der kleinen Stube, bis Gottesknecht alles durcheinanderbrachte. Baracke Berta wurde geräumt für den Ersatz, der nun jeden Tag eintreffen sollte. »Sie dürfen sich aussuchen, wen Sie zu sich in die Stube nehmen wollen«, sagte Gottesknecht, »wie bin ich wieder mal zu Ihnen?« Sie entschieden sich für Kirsch und Branzner. Beide hatten anfangs zur Stammbedienung Anton gehört, waren zu Dora übergewechselt und taten nun seit dem Ausfall zweier Geschütze des Nachts bei Berta Dienst. »Die beiden sind in Ordnung«, sagte Wolzow. Gomulka sagte zu Holt: »Aber der Branzner steckt in der letzten Zeit dauernd mit Kieback zusammen, und mit denen …« – »Seit dem letzten Tiefangriff«, meinte Holt, »ist die ganze Batterie so … fanatisch. Der Angriff hat eine wahre Erbitterung ausgelöst.« – »Ich möchte mal wissen, wieso?« sagte Wolzow. »Wir sind doch ein militärisches Ziel. Das ist doch in Ordnung, wenn sie uns angreifen!« – »Seit dem Attentat haben alle die Übersicht verloren«, sagte Gomulka. Wolzow erzählte: »Gestern abend hat Kutschera die Obergefreiten schleifen lassen, weil der deutsche Gruß immer noch nicht klappt!«
    Branzner erwies sich als eine »äußerst zweifelhafte Errungenschaft«, wie Gomulka am Morgen nach dem Einzug zu Holt sagte.Unter dem Eindruck der Zeitereignisse, als Reaktion auf die blutigen Gefechte, hatte Branzner sich sehr verändert. Er sah, wie er schon am ersten Abend beiläufig erklärte, den einzigen Garanten des Endsieges darin, allen Anstrengungen des Feindes den unerschütterlichen und fanatischen Glauben an die Sendung des Führers und die Ewigkeit des Reiches entgegenzusetzen. Natürlich gab es gleich Streit.
    Wolzow hörte sich Branzners Erklärung an, mit schräggelegtem Kopf. Holt dachte: Da haben wir ja Ziesche wieder! Aber Branzner übertraf Ziesche noch, denn er war redseliger und wortgewandter, wenn er auch seines schwarzen Haares wegen weniger von Rasse sprach und der völkisch-rassische Gedanke nur gelegentlich in seinen Argumenten Platz hatte.
    »Hör mal zu«, sagte Wolzow auf Branzners programmatische Erklärung. »Unerschütterlichkeit, Fanatismus …« Er brach ab und dachte nach. »Wenn einer ein bißchen bekloppt ist, verstehst du, beschränkt, eben dämlich, wie so die meisten sind, dann ist der fanatische Glaube ein ganz brauchbares Mittel, ihn bei der Sache zu halten. Ohne diesen Glauben würden die meisten immerfort aus den Pantoffeln kippen, weil sie keine kriegerische Tugend haben und weil ihnen die höhere Einsicht fehlt. Aber
unsereins?
Angenommen, der Krieg wäre verloren, so eindeutig verloren, daß es ein Blinder sieht: ich würde trotzdem weiterkämpfen, ohne fanatischen Glauben, ganz einfach weil sich das für einen Soldaten gehört. Was anderes gibt es gar nicht. Hör zu, Branzner! Was meinst du wohl, warum wir neulich als einzige Kanone Nahfeuer geschossen haben, während ihr samt eurem Glauben schön flachgelegen habt? Etwa weil ich fanatisch glaube, daß das was nützt? Quatsch. Nahfeuer nützt gar nichts. Aber es gehört sich so!« Wolzow redete sich in Eifer. »Ein Soldat muß kämpfen, ohne Frage, ob es einen Sinn hat oder keinen! Ein Soldat ist zum Kämpfen da, zu nichts anderem! Dein Glaube, mein Lieber, ist eine verdammt unsichere Sache, er kann in die Binsen gehn, und dann sitzt du da und schnappst nach Luft! Bei mir kann nichts in die Binsen gehn. Bei mir heißt es: Der Soldat hat zu kämpfen. Also wird gekämpft.«
    Was Wolzow sagte, gefiel Holt besser als die Forderung nach blindem, fanatischem Glauben. Jetzt wußte er auch, wo Wolzow seine Ruhe hernahm. Er dachte: Leicht ist das nicht, so zu denken wie Wolzow, ohne irre zu werden. Da muß man wohl seit 1750 aktive Offiziere zu Vorfahren haben.
    »Kämpfen als Selbstzweck«, sagte Gomulka, »halten wir das mal fest. Kampf ist für dich Selbstzweck, Gilbert, und das läßt sich hören. Mit dieser Einstellung brauchst du keinen Glauben an den Endsieg oder an den Führer. Aber einen Einwand forderst du geradezu heraus. Es ist ein Widerspruch in deiner Auffassung.« Er furchte die Stirn, so angestrengt dachte er nach. »Du hast uns oft genug die Fehler erklärt, die in der Vergangenheit von Feldherren begangen wurden. Terentius Varro, Daun und Karl von Lothringen bei Leuthen, du kannst also nicht abstreiten, daß

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