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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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unwirklich, unglaubhaft, fern … Holt dachte: War es ein Angsttraum?
    Er richtete sich auf, wie zerschlagen, es gab keine Stelle an seinem Körper, die nicht schmerzte. Doch mit einem Satz sprang er vom Bett und reckte sich.
    Am Tisch saß rauchend der Sanitäter, die Ledertasche auf den Knien. Er grinste. »Bei Ihnen mach ich sogar Hausbesuche, kostet fünf Mark! Los, lassen Sie sich verarzten!« Auf beiden Handrücken hatten sich Brandblasen gebildet. »Die lassen wir schön in Ruhe, sonst entzündet sich das.« Er legte Holt einen Mullverband an. »Hier … Prontosil-Rotschiff, das beruhigt die Nerven!«
    Holt zog sich endlich die verbrannte Montur aus. Gomulka sagte: »Du bist am ganzen Körper blutunterlaufen!« Holt sagte nur: »Ich versteh nicht, wie die Leute das aushalten!« Da gab es gleich wieder Streit.
    Holt dachte: Jetzt geht das Theater von neuem los! Branzner furchte die Stirn und sah Holt mißbilligend an. »So! Das verstehst du nicht? Na, da werd ich dir das erklären.« Gomulka sagte: »Da bin ich aber gespannt!« Branzner warf einen mißtrauischen Blick auf ihn und begann: »Die deutsche Nation ist von unwandelbarem Glauben an den Führer und an den Endsieg erfüllt. Darum nimmt sie alle Lasten freudig auf sich. Wer Wind sät, wird Sturm ernten! Der Führer hat das ganz klar gesagt, voriges Jahr, am Vorabend des 9. November. Die Ausgebombten sind die Avantgarde der Rache!«
    Holt sah das Elendslager der Überlebenden auf dem Gelände der Kohlengrube. Avantgarde? Vetter nähte sich mit einer riesigen Stopfnadel einen Knopf an die Drillichjacke. Gomulka fragte Branzner: »Hast du schon mal einen Terrorangriff mitgemacht?«
    »Nein.«
    »Dann halt den Mund!«
    »Aber der Führer«, protestierte Branzner. »Du sollst den Mund halten!« rief Gomulka. »Der Führer hat auch noch keinen Terrorangriff mitgemacht! Er hat noch nicht einmal eine ausgebombte Stadt besucht!«
    Branzner schluckte, daß sein großer Adamsapfel auf und nieder hüpfte. »Das … das … jetzt ist es genug!« sagte er. »Heut legt ihr mich nicht wieder rein! Jetzt mach ich endgültig Meldung! Ich geh zum Chef!« Holt rief: »Gilbert, nun sorg du doch endlich mal für Ruhe!« Wolzow, der seine strategischen Lehrbücher aus dem Spind holte, fragte uninteressiert: »Was willst du denn melden?« und vertiefte sich in ein Buch. Branzner schnallte das Koppel um. »So fing es 1918 auch an! Ihr treibt Zersetzung! Feindpropaganda …«
    Gomulka schüttelte den Kopf. Branzner schrie wütend: »Ihr steckt alle unter einer Decke! Kirsch, du hast es gehört!« Kirsch, der Tischlersohn, saß am Tisch und stopfte paketweise Butterkeks in sich hinein. »Ich …?« Er gähnte. »Das können hier alle bezeugen, daß ich fest geschlafen hab!« Gomulka sagte befriedigt: »Da wird sich nichts machen lassen, Branzner!«
    Branzner setzte die Mütze auf. »Also gut! Gut! Ein Verschwörernest! Aber ich laß euch alle hochgehn, alle!« Er schrie: »Volksschädlinge seid ihr, Saboteure …«
    Gomulka tippte sich stumm an die Stirn; er schnitt Holt mit Sorgfalt und Geschick das versengte Haar. »Volksschädlinge?« rief Vetter in seiner Ecke. »Also, Gilbert, so was darfst du dir als Offiziersbewerber nicht gefallen lassen. Stell dir vor, diese Knalltüte läuft zum Chef!« – »Jawohl«, sagte Holt, »du mußt ihm ein für allemal beibringen, wie er sich zu benehmen hat.«
    Wolzow blickte von seinem Buch auf. »Wie hat er mich genannt?« – »Volksschädling«, hetzte Vetter, »Saboteur … und überhaupt …« Wolzow sprang auf, langte sich Branzner und faßte ihn mit der Rechten vorn an der Bluse. Branzner wollte sich wehren, aber da traf ihn schon eine schallende Ohrfeige. Vetter meckerte vergnügt, und Kirsch stopfte Keks in sich hinein. Wolzow hob den erschlafften Branzner mit der Rechten langsam in die Höhe, er war so kräftig, daß er ihn in der Luft schütteln konnte. Dann stellte er ihn auf den Boden, stieß ihn gegen einen Spind und zog ihn wieder dicht zu sich heran. »Hör zu! Hör genau zu! Die paar Wochen, die ich noch bei diesem Haufen bin, will ich Ruhe haben! Ich laß mir doch von dir nicht meine Laufbahn vermasseln. Du wirst also endgültig aufhören zu stänkern! Sonst … Weißt du, wassonst ist? Du bist nachts mit uns am Geschütz. So wahr ich Gilbert Wolzow heiße: Ich schlag dir beim nächsten Schießen mit’m Schraubenschlüssel das Genick ein! Solche Unfälle passieren relativ häufig, das kannst du schon in Prinz Kraft zu

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