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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Zeitungsblatt. Die Russen sollen ganz minderwertige Kämpfer sein, dachte er, vor allem die Panzerbesatzungen sollen gar nichts taugen … Er schnallte den Spaten vom Koppel und half Wolzow, ein Schützenloch jenseits derSperre auszuheben. Der Tag ging zur Neige. »Von hier schieß ich eine Panzerfaust drauf, wenn der erste Panzer mit der Wanne schön über dem Haufen ist!« sagte Wolzow. Es dunkelte. »Vetter! Du gehst mit dem MG drüben am Waldrand in Stellung!« – »Das Auto lassen wir erst mal stehn«, sagte der Gefreite. »Das bring ich in der Nachtschicht weg.« Vetter blieb als Wache draußen.
    In der Hütte spuckte ein kleiner Kanonenofen wohlige Wärme. An den Bretterwänden standen rohe Holzbänke. Durch die Ritzen pfiff der Schneesturm.
     
    Wolzow saß am Ofen. Holt lehnte mit dem Rücken an der Wand und versuchte, im Sitzen zu schlafen. Der Gefreite hatte sich in die hinterste Ecke verkrochen. Ein Hindenburglicht warf flackernde Schatten durch den Raum. Wolzow schmolz Schneewasser, ließ es kochen und brühte Pfefferminztee. Gomulka sagte: »Wolzow … Jetzt erklär mir noch mal genau, warum du den Volkssturm weggeschickt hast.«
    »Weil die Leute ohne jede Kampfkraft sind«, antwortete Wolzow. »Ich kämpf doch in so einer komplizierten Lage nicht mit Leuten, die eigentlich gar nicht wollen und nur gezwungen mitmachen. Das bringt doch nichts ein, auf solche Leute ist kein Verlaß!«
    Gomulka stand auf und ging ein paarmal in der kleinen Baracke auf und ab, die Maschinenpistole unter dem Arm. Dann blieb er am Eingang stehen, an den Türpfosten gelehnt. »Du kämpfst nicht mit Leuten . . die nur gezwungen mitmachen und … eigentlich gar nicht wollen«, wiederholte er stockend.
    Holt blickte auf. Gomulka hatte die Maschinenpistole an der Hüfte angeschlagen, sie war entsichert. Der Finger lag am Abzug. Die Mündung wies auf Wolzow. Gomulkas Gesicht war kreideweiß.
    Was ist … was ist los? dachte Holt.
    »Gilt das bloß für den Volkssturm«, hörte er Gomulka fragen, »oder auch für andere?«
    Wolzow hob den Blick, sah lange auf Gomulka und fragte dann: »Versteh ich dich recht, Sepp?«
    »Ja«, sagte Gomulka. »Ich denke, jetzt hast du mich verstanden …Bleib sitzen, Wolzow!« rief er, als Wolzow sich bewegte, und fügte hinzu: »Ich hab dir was zu sagen!«
    Der Gefreite, in seiner Ecke, in die nur blasses Kerzenlicht fiel, beugte sich nach vorn. Er blickte abwechselnd auf Gomulka und auf Wolzow und warf dann einen prüfenden Blick auf Holt. Holt saß unbeweglich auf der hölzernen Bank, fasziniert durch das Schauspiel, das vor seinen Blicken in Szene ging, das er nicht begriff oder nicht begreifen wollte.
    »Ich hab mich … aus
einem
Grund hab ich mich hierhergemeldet«, sagte Gomulka, atemlos vor Aufregung. »Ich mach nicht mehr mit. Also, ich geh zu den Russen!«
    Es blieb lange still.
    Wolzow sagte: »Du hast einen Eid geschworen, Sepp!«
    »Ich hab ihn schwören
müssen
«, rief Gomulka, »man hat ihn mir abgepreßt!«
    »Du bist Kriegsfreiwilliger«, sagte Wolzow. »Ein Kriegsfreiwilliger kann nicht sagen, daß ihm der Eid abgepreßt worden ist.«
    Gomulka atmete so erregt, daß sich seine Schultern hoben und senkten. »Egal! Dann werd ich eidbrüchig!«
    »Ein Lump, wer seinen Kriegsherrn im Stich läßt!« sagte Wolzow in einem kalten und feindlichen Ton.
    Aber da brüllte Gomulka los, und die Narbe schwoll in seinem Gesicht:
    »Kriegsherr … Das ist nicht mein Kriegsherr! Das ist nicht mein Krieg! Du nennst den Hitler deinen Kriegsherrn und hältst ihm den Eid … Ich nenn ihn einen
Verbrecher
… einen wahnsinnigen Mörder! Ich gehorch nicht mehr! Ich … hab gekämpft bei der Flak, ich hab geglaubt, es ist für Deutschland … Ich hab nicht hören wollen und nicht sehn, wie er alles in den Dreck gezogen hat und Deutschland zur Sau gemacht … und wie wir für ihn zu Verbrechern werden müssen! Aber dann ist mir’s klargeworden! Und jetzt mach ich Schluß!«
    In der Stille, die diesen Worten folgte, erhob sich der Gefreite in seiner Ecke, aber niemand achtete darauf.
    »Ich hab auf dem Hof gestanden«, rief Gomulka leidenschaftlich, »und wenn es der Böhm befohlen hätte, da wär ich zumMörder geworden an dem Hausmeister, obwohl der recht hatte, als er schoß, denn der Schulze gehörte hin, dieses Untier … Aber ich sollte drüber zum Mörder werden! Ich laß mich nicht zum Mörder machen von dem! Eh so was wiederkommt, geh ich! Jawohl … ich geh!«
    Schweigen.
    »Und du«, fuhr

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