Abenteuer des Werner Holt
verlieren! Nachher kommen die neuen Waffen und wir gewinnen! Na, dann haben sie den Sepp aber am Arsch!« – »Halt den Mund!« rief Holt. Wolzow erklärte: »Christian, du sicherst mit dem MG am Waldrand, du läßt aus dem Panzer keinen aussteigen, das ist deine Hauptaufgabe! Ich lieg hinter der Sperre. Werner, du gehst vorn am Waldrand in ein Loch und schießt auf den zweiten, sobald er aus dem Wald kommt.« Holt nickte wortlos.
Die Mondsichel stieg über die Wälder. Der Schnee glänzte in weißem, gespenstischem Licht. Die Landschaft war wie verschleiert.
Gomulka und der Gefreite verließen die Baracke. Holt ging zu den beiden hin. Wolzow stand auf der Straße. Der Wind schlief ein. Gomulka zog ein kleines Kärtchen aus der Tasche, ein Bild seinerMutter. »Schick das meinem Vater, Werner. Kannst schreiben, du hättest es mir selbst abgenommen, er weiß auch so Bescheid, wenn ich hier die obere Ecke abreiß.« – »Nichts als weg!« sagte der Gefreite. »Los, abstechen, ehe die Charge rückphosphort … eh der Kerl wieder verrückt spielt, mein ich.« Er befestigte einen Fetzen Bettuch an einem Ast und ließ den Motor des Wagens warmlaufen.
»Leb wohl, Werner!« sagte Gomulka.
Holt lief zu Wolzow. Wolzow hielt die entsicherte Maschinenpistole in den Händen, und sein Gesicht war verzerrt. Aber Holt stellte sich dicht vor ihn hin, bis hinter seinem Rücken der Wagen mit aufheulendem Motor auf der verschneiten Chaussee davonrollte.
Wolzow sagte finster: »Es war das letztemal, daß ich mich hab beim Wort nehmen lassen, damit du’s weißt! Mein Soldateneid geht über den kindischen Schwur von damals. Von jetzt ab wird jeder Verräter umgelegt, und wenn’s mein eigener Bruder wär!« Wolzow und Vetter gingen in die Baracke. Holt blieb am Waldrand stehen. Die Leere in ihm füllte kein Gedanke, keine Hoffnung mehr aus.
Es war gegen sechs Uhr morgens, als Holt zusammenschrak. Er horchte. Das Blut rauschte so laut in seinen Ohren, daß er lange Zeit nichts vernahm. Dann war es wieder da, das ferne, leise Klirren. Ein dunkler Brummton summte dazwischen. Panzer!
Er lief schreiend zur Baracke. Wolzow und Vetter fuhren aus dem Schlaf, warfen das Sturmgepäck auf den Rücken, Gasmaske, Koppel, fertig! »Christian … ans MG!« Vetter hetzte über die Wiese.
»Still!« Das Klirren näherte sich. Es war nicht festzustellen, in welcher Richtung die Panzer fuhren, es klirrte im Osten, es klirrte im Süden, lauter und lauter. Dann blieb es als gleichmäßiger Ton im Norden und Südosten, wohl eine Stunde lang, ohne näherzukommen.
»Was müssen das für Panzermassen sein!« sagte Holt. Wolzow antwortete: »Aber die kommen nicht hier lang, sonst wären sieschon da, sie stoßen wohl südlich auf Brieg und im Norden durch Namslau nach Oels … Vielleicht kommen hier bloß ein paar Einzelgänger vorbei!«
Sie kamen, als fahles Morgenlicht über die Wälder stieg: dreizehn Panzer T 34, dicht gefolgt von einem Dutzend Schützenpanzerwagen mit Infanterie. Der Stoß traf die drei Jungen mit der elementaren Gewalt einer Naturkatastrophe. Es dauerte nur eine Minute.
Plötzlich schwoll das Klirren der Panzerketten, das Summen der Motoren an und kam rasch näher. Holt kroch in sein Loch, Wolzow verschwand hinter der Sperre. Der erste Panzer, in ohrenbetäubendes Gerassel gehüllt, raste aus dem Wald, sah die zertrümmerte Barrikade und bremste scharf. Dann nahm er mit aufbrüllendem Motor das Hindernis an. Holt, wie hypnotisiert, sah das stählerne Ungetüm auf die Sperre klettern … da traf ihn zugleich mit einem grellweißen Lichtblitz die Druckwelle wie ein Keulenschlag und warf ihn in sein Loch. Die Detonation war gewaltig, fuhr wie ein Orkan in die Bäume des Waldes und brach mit hohlem Ächzen ein paar Stämme … Ein pfeifender Luftsog trieb Rauch und Schnee zum Himmel hoch und fetzte die Dunstwolke auseinander. Die Sperre war weggefegt. In einem flachen Trichter, zur Seite gesackt, lag qualmend der Panzer. Wolzow taumelte über die Wiese. In diesem Augenblick rollte der zweite Panzer aus dem Wald und Wolzow flüchtete. Der Panzer drehte sich mit einem einzigen Ruck um neunzig Grad und stieß schon von der Chaussee auf die Wiese hinab. Holt sank in sein Loch. Eine MG-Garbe warf Schnee und Erde auf ihn, dann rollte der Panzer über ihn hinweg und gegen den Graben. Holt tauchte auf, feuerte eine Panzerfaust ab und traf viel zu niedrig. Die Druckwelle warf ihn zu Boden. Aus dem Heck des Panzers troff brennendes Öl.
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