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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Gomulka ruhiger fort, »du kannst nicht sagen, daß ich was Falsches will, außer daß ich meinen Eid brech! Aber ein Eid, den ich diesem Gesindel geschworen hab, der bindet nicht!« Und nun schrie er seine Anklage Wolzow ins Gesicht. »Du kannst gar nichts dagegen sagen, Wolzow, überhaupt nichts!, denn du weißt alles! Denk an die Sägemühle! Du weißt viel mehr, als du zugibst! Du hast uns nie die Wahrheit gesagt, wenn sie dir nicht in den Kram gepaßt hat! Du willst uns zugrunde richten, Wolzow, damit du deine Freude am Kriegsspiel hast! Und daß er für eine Lumperei ist, der ganze Kampf, das weißt du am besten! Du weißt alles! Du kennst den Kommissarbefehl, durch den schon dein Vater zum … zum Verbrecher geworden ist, jawohl, zum Verbrecher! Du kennst den Nacht-und-Nebel-Erlaß, du kennst die ›Endlösung der Judenfrage‹, du weißt genau, was Auschwitz ist, du hast die Zähneeinschläger bei der Gestapo in Essen selber gesehn! Du weißt überhaupt alles! Denn es steht alles in den Tagebüchern deines Vaters. Deine Mutter hat es daheim vielen Leuten erzählt, und du weißt auch, daß dein Vater seine Offiziersehre tausendfach besudelt und geschändet hat!«
    Der Schein des Hindenburglichts flackerte noch trüber über Wolzows Gesicht, das nun weiß wie die gekalkte Barackenwand war. Aber Gomulka schwieg noch immer nicht. Es brach aus ihm hervor und wollte gesagt sein: »So einem Führer bin ich keine Treue schuldig! Ich mach nicht mehr mit! Und jetzt gib mir dein Wort, Wolzow, daß du mich gehn läßt!«
    Wolzow stand auf und legte die Rechte auf die Pistolentasche. Er wandte sich mit einer entschlossenen Bewegung zu Gomulka herum. Die Mündung der Maschinenpistole war auf seine Brust gerichtet. »So nicht«, sagte er drohend. Er sah mit einem dunklen Blick auf Gomulka. »Nimm die MP weg! Ich zähl bis drei.«
    »Und dann? Was ist dann?« schrie Gomulka.
    »Dann knall ich dich ab … Eins …«
    »Ich schieß!« schrie Gomulka außer sich. »Eh ich einen Schuß auf die Russen abgeb, schieß ich dich zusammen, es ist mein heiliger Ernst! Du weißt, daß ganz Deutschland wie die Sägemühle ist, Wolzow, und du willst weiterkämpfen, damit die Sauerei nicht ans Licht kommt …«
    »Zwei …«, zählte Wolzow, ging einen Schritt auf Gomulka zu und duckte sich zum Sprung.
    »Wolzow!« schrie Gomulka, und die Hand am Abzug krampfte sich schon zusammen. Holt warf sich dazwischen. Er begriff nur eins: Sepp wird schießen! »Wahnsinnig seid ihr! Die Maschinenpistole weg! Gilbert … zurück! Eh ihr aufeinander schießt …« Er wußte nicht, was er tat, er riß eine Handgranate aus dem Koppel und hielt schon die Schnur in der Faust. »Ich zieh ab!«
    Gomulka senkte widerwillig den Lauf der Maschinenpistole und sagte dabei: »Ich geh! Mich hält keiner! Und ich laß mich nicht von Wolzow abknallen!«
    »Gilbert!« rief Holt. »Zum … zweitenmal im Leben erinner ich dich … du hast mir geschworen …«
    »Ich knall ihn ab, den Lump, den Verräter«, sagte Wolzow haßvoll. Die Waffe, die noch immer auf ihn gerichtet war, erregte ihn mehr und mehr. Holt schrie: »Sepp! Die MP weg!« Gomulka gehorchte zögernd. »Gilbert … setz dich dort hin!« Wolzow setzte sich endlich, Wut in den Augen. Holt atmete auf. Als er sich umwandte, sah er den Gefreiten in der Ecke den Karabiner absetzen.
    »Läßt du ihn gehn?« fragte Holt. Wolzow schwieg und warf wortlos ein paar Holzscheite in den Ofen. Gomulka hängte die Maschinenpistole um den Hals.
    Jetzt erst erfaßte Holt die volle Tragweite dessen, was Gomulka vorhatte. »Die Russen!« rief er. »Die schlagen dich tot! Sie bringen doch alle um!«
    Da rief der Gefreite in der Ecke. »Hör auf! Hör mit dem Schwindel auf. Ich hab das lange genug herunterschlucken müssen! … Ja … im Nahkampf, wenn dir’s da plötzlich einfällt, dannist es längst zu spät, längst! Aber nicht, wenn wir ruhig ankommen, mit einem Auto, und ich kann ein paar Worte Russisch …! Was meinst du, wie die sich da freuen!«
    Sie sahen alle auf den Gefreiten. Gomulka fragte verwundert: »Wir?«
    »Ja … was denkst du denn von mir! Was meinst du denn, warum
ich
mich freiwillig gemeldet hab! Panzerjagd? Nie! Bei mir ist Generalstreik, mein Lieber, aber nicht Krieg. Krieg ist einwandfrei Fehlcharge bei mir!«
    Holt sah auf den Gefreiten und sah auf Gomulka. Eine Ahnung dämmerte in ihm, ganz fern zeichnete es sich ab wie ein Weg … Und nun sagte Gomulka: »Werner …« Und sagte: »Komm mit!« Nur

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