Abenteuer des Werner Holt
gehorchte ihm sklavisch. »Und dann«, fuhr Wolzow fort, »sollten wir doch im Fluß angeln.« – »Ist gefährlich«, sagte Gomulka. »Dort unten sieht uns bestimmt jemand!« – »Wenigstens Nachtangeln auslegen«, sagte Holt, der an seine Verabredungmit Wiese dachte. »Laßt mich das machen. Den Fluß übernehm ich.« Vetter stimmte wieder sein Klagelied an. Er brauche Fett. »Kocht ihr mal was ohne Fett! … Man müßte eine richtige Sau organisieren«, sagte er träumerisch.
Sie löffelten die Pilzsuppe. Vetter trug ein Kochgeschirr zu Zemtzki auf den Gipfel. Holt und Gomulka bereiteten sich auf den ersten Pirschgang vor. »Ihr seht aus wie Robinson«, sagte Wolzow und grinste. »Wenn’s nach der Ausrüstung ginge, müßtet ihr ein Mammut schießen.« Er rief ihnen hinterher: »Weidmanns Heil!«
Sie stiegen den steilen Trampelpfad hinab und folgten dem Lauf der Schlucht, bis sich ein Tal vor ihnen öffnete. Sie wanderten, die Gewehre schußfertig unter dem Arm, nach Osten, durch den dichten und verwilderten Wald. Gebüsch und Unterholz hemmten ihre Schritte. Ein Eichelhäher stimmte gellendes Warngeschrei an. Holt hob die Büchse. »Ob man Eichelhäher essen kann?« flüsterte er. – »Ja. Aber laß, du verjagst vielleicht was Größeres!« – »Das Geschrei vertreibt sowieso alles Wild. Polizei des Waldes.« Der Vogel war auf den Zweigen einer Eiche niedergegangen, das bunte Gefieder leuchtete durch das Laubwerk. Ausatmen, Druckpunkt, Ziel aufsitzen lassen! Der Schuß brach. In einer Wolke stiebender Federn fiel der Vogel zu Boden. Holt lud. »Die erste Beute!« Er verstaute den Eichelhäher im Rucksack. Sie wanderten weiter.
Als sich der Abend senkte, tat sich eine große Lichtung vor ihnen auf. Ein Bach plätscherte zu Tal. Sie rasteten und lagerten sich am Waldrand.
Ein kühler Wind strich über sie hin.
»Denkst du manchmal an zu Hause?« flüsterte Holt. »Nein, nie«, sagte Gomulka. »Und du? Denkst du an die Stadt?« Holt schüttelte den Kopf. – »Und … denkst du noch an den … Gasthof, dort, beim Ernteeinsatz?« Holt sah angestrengt zur Seite. Die Frage überraschte ihn. »Manchmal«, flüsterte er nach langer Pause. Dann erstarrte er. Nicht weit von ihnen entfernt saß ein Hase im Gras der Lichtung, machte Männchen, mit spielenden Ohren, und äugte … Langsam, ganz vorsichtig brachte Holt dasGewehr in Anschlag. Er mußte sich zur Ruhe zwingen, er zielte sorgfältig. Gomulka hielt den Stutzen schußbereit an der Wange, um zu feuern, wenn Holt fehlte. Dämmerlicht, nicht zu tief abkommen! Der Kopf mit den langen Ohren stand zitternd auf der Visierlinie. Als der Schuß peitschte, sprang der Hase hoch und blieb liegen. Im gleichen Augenblick aber brach, greifbar nahe, ein großes Tier aus dem Gebüsch und flüchtete in langen, federnden Sätzen über die Lichtung. »Schieß!« schrie Holt. Da donnerte schon der Stutzen. Gomulka verschwand in einer stinkenden Rauchwolke. Das Echo rollte durch den Wald. Gomulka war aufgesprungen. Er stand vornübergeneigt und schob in fieberhafter Eile eine neue Patrone in den Lauf. Aber das große, flüchtende Tier verschwand jenseits der Lichtung im Wald. »Los! Lauf doch!« rief Holt. »Ein Reh war das, oder gar ein Hirsch!« Sie hetzten über die Lichtung, setzten im Sprung über den Bach. Am Waldrand rief Gomulka triumphierend: »Hier!« Eine große, versickernde Blutlache, eine breite Blutspur, die plötzlich endete. »Dort, das Gebüsch!« Sie teilten mit beiden Armen die Zweige. Da brach es schon wieder aus den Sträuchern, ein Schatten taumelte davon, zum Greifen nahe. Aus dem Gebüsch, wo das angeschossene Wild gelegen hatte, führte die dunkle Blutspur weiter. Gomulka hielt Holt in jähem Schreck am Arm fest: »Dort!«
Etwa dreißig Meter vor ihnen, zwischen den Büschen, von der Dämmerung verhüllt, richtete sich das Tier noch einmal mühsam auf die Vorderläufe und wandte ihnen den Kopf mit dem mächtigen Geweih zu. Gomulka kniete, das Gewehr im Anschlag. Es dünkte Holt eine Ewigkeit, bis der Schuß knallte und das Echo sich in den Wipfeln verfing. Der beißende Geschmack des verbrannten Schwarzpulvers füllte Holt Mund und Nase. Der Hirsch sank zusammen. Gomulka ließ den Stutzen fallen, sprang auf und begann ein Jubelgeschrei.
»Still! Wenn jetzt jemand kommt!« Sie standen unbeweglich und horchten. Kein Laut regte sich. »Wer soll denn hier kommen? Die Männer sind im Krieg, und die Weiber haben Angst im Wald.« Er hob den Stutzen auf und
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