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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Zivilist nichts Besseres vorhaben, so sind Sie herzlich eingeladen, am Samstag mit mir zu unserem Landhaus hinauszufahren. Das Wetter verspricht warm zu bleiben. Auch dort sind die Wälder nicht ohne Schönheit, wenngleich es leider keine Höhle gibt …« Er lachte, ihr Spott machte ihn glücklich. »Kommen Sie also Samstag nicht später als zwölf, und lassen Sie mich durch Peter Ihre Antwort wissen.«
    »Was soll ich ihr sagen?« fragte Wiese. »Ich komm«, entgegnete Holt.
    Wiese ging. Holt überlegte: Blumen muß ich ihr bringen! Rosen, Astern, Nelken, das hat sie alles selbst. Er erinnerte sich an Doktor Zickels Orchideenhaus in der Schulgärtnerei. Ich muß einbrechen, dachte er … Aber als er eine Stunde später über den Zaun spähte, sah er ein halbes Dutzend Menschen beschäftigt, und nachts, als er es abermals versuchte, lief eine große Dogge in der Gärtnerei umher. Dann muß ich eben den Hund vergiften, dachte er, aber die Orchideen muß ich haben!
    Er versuchte es am Sonnabend früh wieder, und tatsächlich fand er die Treibhäuser unbewacht.
    Er hatte schon seine Sachen zusammengepackt, denn die Schule hatte ihm für den Montagmorgen eine Einladung zur »feierlichen Verabschiedung der Klasse VII zum Luftwaffendienst …« geschickt.
    Die Schulgärtnerei lag weit draußen. Holt setzte über den Zaun. Er eilte gebückt zwischen den hohen Spargelbeeten hindurch zum Orchideenhaus.
    Schwüler Duft umfing ihn. Von der Decke hingen Bastkörbe, aus denen bizarre Gebilde hervorwucherten; auf fauligen Baumstämmen leuchteten Blüten, auch zwischen Moosen und Farnwedeln … Er zog das Messer aus der Hose und schnitt sich die schönsten Blüten ab, langstielige, schneeweiße Sterne mit zartroten Innenblättern: »Paphiopedilum villosum, Our King«, las er auf dem Schild. Er verließ das Treibhaus und gelangte unangefochten aus der Gärtnerei.
     
    10
     
    Vor der Barnimschen Villa hielt ein offener Jagdwagen; der Kutscher hängte den beiden braunen Pferden Futtersäcke um. Holt klingelte ungeduldig; er nahm zwei Treppenstufen auf einmal. Uta stand vor dem Spiegel. Er hielt ihr wortlos die Orchideen hin.
    »So etwas Schönes hab ich noch nie gesehn«, sagte sie und drehte ihm rasch wieder den Rücken zu. Sie kämmte sich. Er sah ihr zu, wie sie das schwere Haar um den Kopf wand und feststeckte.
    Sie verließen das Haus. Der alte, gebrechliche Kutscher kletterte wortlos auf den Bock und trieb die Pferde an; der Wagen rollte die Allee entlang und bog hinter den letzten Häusern in einen Feldweg ein, rollte weiter durch abgeerntete Äcker, bergan und bergab, und dann eine Stunde lang durch Mischwald. Uta erzählte. Als ihr Vater zur hiesigen Garnison kommandiert worden sei, habe er ein Haus in der Stadt und weit draußen ein Wochenendhaus gemietet. Pferde und Wagen, dieser und ein Dogcart, stünden bei einem Bauern im nahen Dorf. Zu Hause sei sie im Schwarzwald.
    Das Haus lag am Waldrand, ein zweigeschossiges Holzhaus auf einem Sockel von Natursteinen. Ringsum stand der verwilderte Wald. Holt folgte Uta in die Diele, dort führte ihn eine mürrische alte Frau ins Obergeschoß und wies ihm ein Zimmer an, das nur mit eisernem Bett, Waschtoilette und Schrank eingerichtet war. Eichen und Kiefern streckten ihre Äste bis an das geöffnete Fenster. Die Frau öffnete die Tür einen Spalt und winkte.
    Aus dem gegenüberliegenden Zimmer trat Uta. In der Diele saßen sie einander am Eßtisch gegenüber. Die Frau trug Pellkartoffeln auf und eine Schüssel mit saurer Sahne. Das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln drang durch die geöffnete Tür, die zu ebener Erde in den Wald hinausführte.
    Sie verließen das Haus. Im Tal zwischen Feldern lag das Dorf. Ein milder Spätsommerabend sank herab. Spinngewebe glänzte auf Farnwedeln und Schlehdorn, durch die Luft schwebten die Fäden des Altweibersommers.
    Uta ging einen halben Schritt voraus. Am Waldrand setzte sie sich ins Gras. Brombeersträucher und Haselbüsche ließen den Blick nur nach Westen hin frei; über den Bergen spielte der Himmel mit allen Farben. Von der Lichtung her strich mit dem Wind der Geruch von Heu über sie hin. Er legte den Arm um ihre Schulter, sie ließ sich rücklings ins Gras sinken. Später saß er neben ihr und sah das Farbenspiel am Horizont verlöschen. Sie hielt die Augen geschlossen. Es dunkelte. Sie fröstelte. Als sie das Haus erreichten, war es Nacht.
    In der Diele stand ein Abendessen bereit. Uta brachte einen Korb frischer Tomaten. Beim

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