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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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schon wieder Karten aus. Wolzow legte sich auf die Pritsche und las in seinem Taschenbuch.
    Am Nachmittag wurde die Zelle geöffnet, und General Wolzow trat ein. Er winkte mit der Hand, und der Aufseher schloß hinter ihm die Tür. »Gilbert«, sagte er scharf, »es ist das letztemal, daß ich deinetwegen als Bittsteller herumgeh! Ich mache keinen Finger mehr krumm! Verstanden?« Wolzow erhob sich vonseiner Pritsche, die anderen standen stumm und betreten, eingeschüchtert durch all das Gold und die Orden an der Generalsuniform … »Habe dafür gesorgt, daß ihr arbeiten werdet«, sagte der General versöhnlicher. »Holzhacken, Schlackeladen.«
    Am anderen Tag wurden sie auf den Hof geführt. Sie zersägten mannstarke Kiefernstämme und spalteten Brennholz. Während der Arbeit hörten sie von schweren Luftangriffen auf Berlin. Die Deutschen an Rhein und Ruhr seien das Beispiel, dem es nachzueifern gelte.
     
    Eine Woche später wurden sie entlassen.
    Es war ein schwüler, regenfeuchter Spätsommertag. Die Schwestern Dengelmann empfingen Holt mit Gezeter und Vorwürfen. Holt ging auf sein Zimmer. Die Tage der Haft hatten ein Gefühl der Leere und des Katzenjammers in ihm zurückgelassen. Auf dem Tisch lagen ein paar Briefe, von seiner Mutter, dazwischen ein grauer Umschlag, gestempelt: »Frei durch Ablösung Reich.« Er riß den Umschlag auf. »Sie werden im Rahmen … Dienst als Luftwaffenhelfer … Schulklasse … haben sich am 14. September … Großkampfbahn …«
    Endlich! Er riß die Tür auf und brüllte durchs Haus: »Es geht los! Montag geht’s los!«
    Er lief zu Wolzow. Auf dem Weg dachte er an Uta. Er blieb vor der Barnimschen Villa stehen. Aber dann fiel ihm ein, wie Uta grußlos gegangen war, und er lief weiter. Wolzow öffnete, eine Rotweinflasche in der Hand. Er sagte: »Eben ist es durch den Rundfunk gekommen, daß Italien am 3. September heimlich kapituliert hat. Verrätergesindel!«
    Holt ließ den Brief sinken. Er erschrak so sehr, daß der Brief in seiner Hand zitterte.
    »Dabei hatten die doch gar keinen Grund«, sagte Wolzow. »Wenn man mit Großdeutschland verbündet ist, braucht man doch nicht zu kapitulieren!« Er drückte Holt die Rotweinflasche in die Hand. »Prost!« Dann erzählte er: »In Italien muß allerhand los sein. Der Duce ist entführt worden, sie haben eine neue faschistische Nationalregierung ausgerufen, und wir übernehmenjetzt allein den Schutz der europäischen Küsten … Komm.« Er schloß das Haus ab. »Jetzt gehen wir aufs Wehrbezirkskommando und melden uns freiwillig! Dann zu Sepp und Christian. Die Einberufung muß gefeiert werden.«
    Sie trafen Vetter auf dem Markt, mit Augen, die vom Weinen gerötet waren. »Mein Alter hat mich ganz furchtbar gehaun«, sagte er, während ihn noch der Bock stieß, »aber aus Rache hab ich meiner Sippe sämtliche Raucherkarten geklaut! Hier, da hol ich mir jetzt ›Attika-Auslese‹ oder ›Nil‹ …« Sie begleiteten ihn in einen Tabakladen. Eine Frau, die nach ihnen das Geschäft betrat, schimpfte ungeduldig: »Beeilen Sie sich doch! Ich muß nach Hause! Der Führer spricht!«
    Die Formalität auf dem Wehrbezirkskommando war rasch erledigt. Holt, durch die Nachrichten aus Italien deprimiert, beschloß, nun doch Uta zu besuchen.
     
    Am Nachmittag stand er lange unschlüssig und mutlos vor dem Haus. Dann klingelte er. Er wurde ins Obergeschoß geführt. Uta lag in ihrem Zimmer auf der Couch und las. Als Holt eintrat, blickte sie flüchtig von ihrem Buch auf. »Ach … Die Strafe schon verbüßt?«
    Der frostige Empfang enttäuschte ihn. »Ich wollte … ich möchte …« Er sagte hilflos: »Um Verzeihung bitten möcht ich Sie.« Er lehnte sich gegen diese Demütigung auf. »Ich war … ungehörig, ich dachte …« Die Auflehnung erlosch, er war bereit, sich noch tiefer zu demütigen, aber sie lächelte so spöttisch wie noch nie. »Was reden Sie da? Ungehörig benommen? Nicht daß ich wüßte.« Sie erhob sich, das Buch fiel zu Boden. Sie trat ans Fenster und sah gelangweilt hinaus. »Sie sollten sich nicht so schrecklich wichtig nehmen, mein Junge.«
    Auf einmal stieg Wut in ihm hoch. Er deutete eine Verbeugung an, dann stand er draußen vor der Tür und sah nicht mehr ihr erstauntes Gesicht. Als er unten durch die Diele ging, hörte er sie oben rufen: »So warten Sie doch!«, aber er verließ das Haus. Nur fort!
    In der Halle der Wolzowschen Villa fand er die halbe Klasseversammelt. »Der wilde Jäger!« schrie Rutscher, als er

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