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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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»Ich hab’s satt. Jetzt geh ich nachBerta und rede mit den Oberhelfern.« – »In die Höhle des Löwen?« sagte Gomulka. »Aber das nützt nichts!« – »Man muß es versuchen«, meinte Wolzow. Holt sagte: »Keinesfalls gehst du allein! Los, Sepp, Christian, wir gehn mit!«
    Die Oberhelfer zeigten sich überrascht, als die vier in die Stube traten. Sie lagen auf den Betten, ein paar saßen am Tisch. Gemütliche Bude, dachte Holt. Die Spinde waren zu einer Wand zusammengeschoben, hinter der sich die Betten verbargen. Vor dem Fenster stand ein großes Aquarium mit Fischen, auf den Fensterbrettern blühten Azaleen und Alpenveilchen.
    Wolzow stand mitten im Zimmer. »Welch hoher Besuch!« spottete jemand. Wolzow sagte ruhig: »Wir sollten uns in Zukunft vertragen!« – »Vertragen?« rief ein Zwilling und fuhr in seinem Bett hoch. »Jetzt, wo mein Bruder fürs Leben entstellt ist?« – »Ich hab niemanden überfallen«, erwiderte Wolzow. Der Oberhelfer Wilde erhob sich. »Es gibt ungeschriebene Gesetze beim Militär. Vertragen können wir uns, wenn ihr eure Abreibung weghabt!« Wolzow schrie, mit einem Schritt auf Wilde, der eilig den Tisch zwischen sich und Wolzow brachte: »Noch so ein hinterhältiger Überfall … dann gnade euch Gott!« Die Oberhelfer stimmten ein Hohngelächter an, aber es klang nicht echt.
    »Es hat keinen Zweck«, sagte Holt später. »Das nennt sich nun Kameradschaft: einer bekämpft den anderen. Ich hab mir das anders vorgestellt im Einsatz. Eine verschworene Gemeinschaft …« – »Blödes Gewäsch!« schimpfte Wolzow. Vetter rief: »Verschworene Gemeinschaft, da mußt du dir erst fünfzig mit dem Ochsenziemer verpassen lassen!«
    Holt und seine Freunde waren isoliert. Die Jungen aus ihrer Klasse, die in der Meßstaffel dienten, biederten sich bei den Oberhelfern an.
     
    Der Dezember brachte schwere nächtliche Flächenangriffe auf die umliegenden Städte.
    Holt erhielt dann und wann Post von seiner Mutter, bekam regelmäßig von seinem Onkel aus Hamburg Zigarettenpäckchen und bat manchmal um Geld, denn die fünfzig Pfennige täglichen»Ehrensoldes« reichten nicht. Sein Gesuch um Kurzurlaub zu Weihnachten wurde bewilligt. Er überlegte lange. Uta, an die er zuerst dachte, hatte schon im November geschrieben, daß sich ihre Familie zu Weihnachten im Schwarzwald treffe; zu seiner Mutter zu fahren, dazu spürte er keine Neigung. Er fühlte sich einsam. Er rief Frau Ziesche an.
    Gottesknecht saß in der Schreibstube und unterhielt sich mit der rundlichen Nachrichtenhelferin, die laut Batterieklatsch die Geliebte des Hauptmanns war. Holt schielte mißtrauisch auf Gottesknecht. Es dauerte ewig, bis er eine freie Amtsleitung bekam. Dann endlich hörte er Frau Ziesches Stimme, verzerrt und klirrend. »Natürlich, kommen Sie, ich habe Gäste, es paßt ausgezeichnet!« Er machte sich auf den Weg, von einer beklemmenden Erwartung erfüllt.
     
    Vor dem Hause standen zwei klapprige Autos. Ein Mädchen öffnete und half ihm aus dem Mantel. Er legte den Stahlhelm auf den Boden. Ein Militärmantel, am Haken, zeigte keine Offiziersschulterstücke, wie Holt erleichtert feststellte. Er hörte Tanzmusik und Gelächter.
    Er kannte das Zimmer. Die Flügeltüren zu den angrenzenden Räumen waren geöffnet. Aus einem Kreis von etwa zwanzig Personen, Männern und Frauen, kam Frau Ziesche auf ihn zu, feierlich, unnahbar, Dame des Hauses. Sie reichte ihm die Fingerspitzen. Der Besitzer des Uniformmantels, ein großer blonder und bleicher Unteroffizier, am Waffenrock den Ärmelstreifen des Panzergrenadierregiments »Großdeutschland«, wurde von allen »Großdeutschland« angeredet. Wenn ihm das Mädchen ein Tablett mit Likörgläsern hinhielt und er sich bediente, so rief jemand: »Großdeutschland kann nicht genug bekommen«, und alle lachten.
    Holt saß in einem Sessel, noch sehr befangen. Frau Ziesche, neben ihm, erklärte liebenswürdig und nicht ohne eine Spur Vertraulichkeit: »Ehemalige Berufskollegen, Sänger vom Operettenhaus. Sie wissen noch nicht, daß ich Tänzerin bin? Ich war hier ein paar Jahre Primaballerina … ich war gar nicht schlecht! Ich hab auch im Ausland gastiert. Wenn Sie’s interessiert, zeig ich Ihnen Bilder.« Sie lachte. »Herrgott, das waren Zeiten!«
    Holt rührte sich nicht und lauschte ihren Worten, beglückt durch soviel Vertraulichkeit. Ihre Nähe verwirrte und erregte ihn. »Amüsieren Sie sich gut«, hörte er sie sagen, und scherzhaft: »Nehmen Sie sich vor den Mädchen

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