Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Wänden löst. In meinem wahrscheinlich über 100 Jahre alten Bett versinke ich fast, so weich ist es. Ich hoffe trotzdem auf guten Schlaf und freue mich schon auf morgen. Ich mag Frankreich inzwischen jeden Tag ein bisschen mehr, jetzt, wo ich mich auf den letzten 300 km befinde… .
Tag 50, Saint-Ferme – (bei) Auros 35,5 km
Eine wunderbare, aber traumlose Nacht. Ich dachte , die Geister des Hauses hätten mir vielleicht einen Besuch abgestattet. Fehlanzeige! Ganz und gar nicht geisterhaft hatte Paul früh am Morgen schon frisches Baguette besorgt und empfing uns zum Frühstück in seiner museumsreifen Küche. Der Mann hält sich wirklich auf Trab. So faszinierend wie er selbst ist sein Haus. Man kann sich in einem Raum 4 Mal, 5 Mal oder auch 6 Mal umsehen, bei jedem Blick erschließt sich ein neues Detail. Jedes Bild an der Wand, jedes Accessoire auf Kamin oder Kommode erzählt seine eigene Geschichte. In den Fluren zeugen unzählige teils vergilbte Urkunden davon, dass Paul Denamps zu seiner Zeit als Weinbauer ein paar gute Tropfen hergestellt haben muss. Während Werner und ich noch frühstückten, kümmerte sich Paul schon um diverse Tiere, die zahlreich seinen Hof bevölkern. Was wird wohl in ein paar Jahren sein, wenn das Ehepaar Denamps mal nicht mehr ist? Wird dieses Anwesen dann wie so viele andere auch dem beschleunigten Verfall preisgegeben? Es wäre ein Jammer.
Meine Gespräche mit Werner verliefen zunehmend in eine Richtung, die mir nicht mehr gefiel. Zu indiskret, zu fordernd waren seine Fragen, insgesamt zu negativ war mir der Touch seiner Erzählungen. Mir gefiel seine Geringschätzung manchen Berufsgruppen gegenüber nicht, es drehte sich fast alles nur um Geld und Einkommen. Immer wieder betonte er seine Unzufriedenheit über die letzten Berufsjahre im öffentlichen Dienst, wo er, wie ich es einschätze, wahrlich nicht schlecht verdient haben wird. Sein Blick richtete sich jedoch nur auf einen Ex-Kollegen, der heute sehr viel mehr Geld verdient. Vor vielen Jahren stand Werner vor der Wahl, sich mit ihm zusammen selbständig zu machen. Er hat es nicht getan, und darüber ärgert er sich bis heute – so sehr, dass es ihm nicht gut zu tun scheint. Für mich steht nur eines fest: Werner hat sich noch gar nicht von seinem Alltag lösen können, ist noch nicht auf dem Jakobsweg angekommen. Möglicherweise liegt es auch daran, dass er mit dem Rad unterwegs ist, daher nicht so gut abschalten kann, wie ein „Fußpilger“. Müßig! Ich wünsche ihm auf jeden Fall, dass ihn schon bald die Leichtigkeit des Pilgerns einholt und ihm seinen Missmut vertreibt.
Ich glaube nicht, dass er ein übler Mensch ist, erkenne zum Beispiel ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft bei ihm. Trotzdem bin ich froh, dass sich unsere Wege gleich heute wieder getrennt haben. Es passt halt nicht alles zusammen. Kuriosum am Rande: Auch Werner hat einen engen Bezug nach Wegeringhausen. Seine Schwiegermutter kommt von dort. Seltsam, so ein kleines Nest im Sauerland und schon die zweite Person, die etwas Persönliches mit ihm verbindet. Ich spare es mir, da etwas hineinzuinterpretieren, halte es vielmehr für einen gewöhnlichen Zufall, aber einen von der drolligen Sorte.
Als ich mich von Monsieur Denamps verabschiedete, war eine gewisse Melancholie dabei. Komisch, gerade einmal etwas mehr als 12 Stunden war ich nun zu Gast bei ihm.
Vor dem Ehrfurcht gebietenden Gemäuer der alten Klosterkirche war Pilgerversammlung. Die französisch-belgische Gruppe von gestern hatte Zuwachs bekommen, in Gestalt eines weiteren belgischen Pilgers. Sie hatten bereits die ersten 5 Tageskilometer zurückgelegt. Nach einem kurzen Hallo setzte ich zusammen mit einem Franzosen meinen Weg fort. Er zog sein Gepäck in einer selbstkonstruierten Karre hinter sich her, statt einen schweren Rucksack zu benutzen. Ich frage mich, ob das wirklich eine Erleichterung ist, speziell wenn es steil bergauf oder bergab geht. Wir hatten praktisch das gleiche Tempo drauf und gingen viele Kilometer neben- oder hintereinander her. Anfangs unterhielten wir uns in Englisch ein wenig über Dinge, die unser gemeinsamer Wortschatz hergab. Als der Franzose mich über meine persönlichen Motive ausfragen wollte, warum ich den Jakobsweg gehe, und er nach einer ersten ausweichenden Antwort weiter bohrte, brach ich das Gespräch freundlich aber bestimmt ab. Im gleichen Rhythmus setzten wir unseren Weg nun schweigend fort. Ich hatte keine Lust, mich mit
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